2015-08-11 12:29:00

Berufung, eine Brücke zu sein: Israelische Katholiken


Denkt man an Israel, meint man, die Konfliktlinien gut zu kennen. Auf der einen Seite sind die Palästinenser, auf der anderen die Juden. Eine Gruppe, die dabei gerne vergessen wird, sind die Christen, die meistens zwischen den Fronten stehen. Aber auch hier ist nicht alles schwarz-weiß: Zum Beispiel bei einer kleinen Minderheit, den hebräisch-sprachigen Katholiken. Das sind zum einen Juden, die zum Christentum konvertiert sind, zum anderen israelische Christen, die sich auf die jüdischen Wurzeln ihrer Religion besinnen. Die Gemeinschaft feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. Radio Vatikan sprach mit dem Patriachal-Vikar Pater David Neuhaus über die Herausforderungen für diese kleine Gruppe und ihren Beitrag zum interreligiösen Dialog.

Messe in hebräischer Sprache

Mit der Gründung Israels 1948 wanderten nicht nur zahlreiche Juden unter dem Schrecken der Shoah nach Israel aus. Auch Tausende Christen beschlossen, im Heiligen Land zu leben. Einige von ihnen wollten sich auf die jüdischen Wurzeln des Christentums besinnen und gründeten das erste hebräisch-sprachige Vikariat, das Sankt Jakobus Vikariat für hebräisch-sprachige Katholiken in Israel. 1955 wurde sie vom Lateinischen Patriarchen genehmigt, ein Jahr später, 1956, wurde in Haifa die erste Messe in hebräischer Sprache überhaupt gefeiert. Heute gibt es sieben sogenannte „kehillot“, also hebräisch-sprachige Gemeinden. Nämlich in Jerusalem, Tel Aviv-Jaffa, Haifa, Beer Sheba, Tiberias und Nazareth. Rund 800 Mitglieder sind hebräisch-sprachige Katholiken aus Israel, 45.000 bis 60.000 sind christliche Einwanderer vorwiegend aus Asien und Afrika. Eine kleine Zahl wiederum sind Juden, die zum Christentum konvertiert sind. Mit dem Nachwuchs an jungen Mitgliedern hapert es allerdings. Doch dafür gibt es Gründe:

„Viele konvertieren zum Judentum. Aber nicht um praktizierende Juden zu werden, sondern um zur Mehrheitsgesellschaft dazuzugehören. Hier handelt es sich nicht um die Konversion von einem praktizierten Christentum zu einem orthodoxen Judentum. Ein Junge etwa aus einer gläubigen christlichen Familie tritt durch die Schule und das Militär und das Sozialleben in eine säkularen jüdischen Gesellschaft ein. Um Teil dieser Gesellschaft zu werden, konvertiert er. Das passiert sehr häufig im Militär. Der Großteil unserer jungen Mitglieder sind keine arabischen Christen. Die meisten kommen aus russischen, polnischen oder philippinischen Familien. Die sind hier versucht, zum Judentum zu konvertieren, weil es einfacher ist. Auch Mischehen sind für uns ein großes Thema: Denn Juden, ob praktizierend oder nicht, heiraten selten Nicht-Juden."

Die hebräischen Christen haben sich dennoch gut etabliert. Neben regelmäßigen Gottesdiensten gibt es Erwachsenenbildung, Jugendaktivitäten und karitative Arbeit für Bedürftige. Auch die Flüchtlinge, die meist versuchen von Eritrea über den Sinai nach Israel zu gelangen, sind für die hebräischen Christen ein Thema, schließlich stammt ein großer Teil der Mitglieder der Gemeinden selbst daher. Für die israelische Gesellschaft ist nicht zuletzt der interreligiöse Dialog entscheidend. Hier haben die hebräischen Christen eine Schlüsselfunktion:

Unter Geschwistern

 „Wir haben die Berufung, eine Brücke zu sein. Einerseits eine Brücke zwischen Juden und Christen, die eine sehr harte Vergangenheit haben. Hier haben wir die Hilfe der ganzen Kirche, die uns lehrt, dass wir die Juden als unsere Geschwister ansehen. Zum anderen müssen wir Brücken bauen mit unseren großen Brüdern hier, den palästinensischen und arabischen Christen in Israel. Hier gibt es Mauern aufgrund der politischen Situation und Geschichte des Landes. Hier gibt es eine sehr, sehr tiefe Wunde der Feindseligkeit zwischen arabisch- und hebräischsprachigen Christen. Wir müssen sagen: Wir alle sind ein Leib Christi.“

Neben dem 60-jährigen Bestehen feiern die hebräischen Christen in Israel auch den 50. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es hatte die Beziehungen der Katholischen Kirche zum Judentum grundlegend verändert. Und der kleinen Gemeinschaft in Israel Wind unter den Flügeln machen: „Als sich die ganze Kirche dieser Realität des Judentums, dem Dialog mit dem großen Bruder, dem Judentum, öffnete, wurde unsere Arbeit sehr viel interessanter. Weil wir nun Kirchenarbeit in einem Umfeld betreiben, wo Juden die Mehrheitsgesellschaft ausmachen. Wir sind eine winzig kleine katholische Minderheit. Aber wir tragen den Dialog im Herzen. Wir versuchen den Weg der Versöhnung mit den Juden zu gehen."

Dennoch zeigen sich die hebräischen Christen besorgt über die neuerliche Gewalt jüdischer Extremisten gegen Andersgläubige. Sei es der Brand des Benediktinerklosters Tabgha, der Angriff auf eine palästinensische Familie oder eine antichristliche Hetze des Rabbiners Bentzi Gopstein. Wichtiger als rechtliche Konsequenzen sei jedoch das Umdenken der Menschen. Das beginne bereits bei der Erziehung der Jugend in den Schulen. Es brauche ein neues Bild von Christen und Muslimen, sagt Pater Neuhaus: „Besonders die Erziehung in den jüdischen Religionsschulen muss sich ändern. Es muss anders vermittelt werden, wer ein Christe und ein Muslim ist. Auch sie sind integraler Bestandteil der Gesellschaft. Sie sind Bürger gleichen Rechts. Sie haben das Recht ihre Religion auszuüben. Sie haben die gleichen Rechte wie alle anderen Bürger auch. Wichtiger als die Sicherheit durch Polizei und Innenministerium ist eine Reform des Bildungssystems. Dort werden zu viele negative Botschaften über Christen und Muslime verbreitet."

(rv 11.08.2015 cz)








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