2015-07-24 11:55:00

Flüchtlinge: Rechtsstaatliche Prinzipien nicht aushöhlen


Am Geld liegt es nicht. Bei der Debatte um Zeltstädte, die in Deutschland für Flüchtlinge und um Schnellverfahren zur Bestimmung einer Abschiebung entbrannt ist, sind fehlende Mittel nie als Grund genannt worden. Erst hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer diese Zeltstädte angeregt, dann sekundierten andere Ministerpräsidenten mit der Einschätzung, dass es für alle Beteiligten hilfreich sei, möglichst schnell über den Status eines Flüchtlings zu entscheiden. Es gib Flüchtlinge, die mit großer Wahrscheinlichkeit in Deutschland als Asylanten anerkannt werden, und Menschen aus so genannten sicheren Drittstaaten, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung groß ist. „Es besteht völliger Konsens darüber, dass es für alle Beteiligten gerecht ist, wenn die Entscheidung schnell fällt“, sagt Bruder Michael Schöpf, Leiter des Instituts für Gesellschaftspolitik an der Hochschule für Philosophie in München. „Alle profitieren davon, die Asylbewerber, die Kommunen die sie unterbringen müssen, die deutschen Bürger, die dann Klarheit haben. Aber – und das ist ein großes Aber – Klarheit unter der Wahrung von rechtsstaatlichen Prinzipien.“

Auch wenn man Zeltstädte im Süden Bayerns, nahe der Grenze einrichte, gelten für diese Orte dieselben Prinzipien wie woanders auch, so Schöpf. „Wenn ein Flüchtling in einer solchen Zeltstadt einen Antrag stellt, dann muss es auch für ihn gewährleistet sein, dass er den Antrag unter Bedingungen stellen kann, wo er selber sagen kann, was mit ihm passiert ist.“ Die Bedingungen seien wichtig für ein faires Verfahren. Schnellverfahren dürften den Asylanspruch nicht aushöhlen, man dürfe nicht einfach von Wahrscheinlichkeiten ausgehen. „Darauf beruht unser Rechtsstaat, ansonsten wäre das individuelle Recht auf Asyl ausgehöhlt, das hat keiner vorgeschlagen und deswegen muss es in der Praxis auch beachtet werden.“

Schnellverfahren sind möglich, so Schöpf, der lange Zeit den Jesuitenflüchtlingsdienst Europa geleitet hat. Man müsse sich aber überlegen, wie bei diesen Schnellverfahren Grenzen verschoben würden. „Heute werden die vorgeschlagen für Menschen aus den Balkanländern, morgen vielleicht für Menschen aus allen Staaten, die als sichere Drittstaaten qualifiziert wurden und vielleicht übermorgen für Menschen aus anderen Staaten, wo eine relativ niedrige Anerkennungsquote vorliegt. Die entscheidende Frage ist, ob wir nicht am Ende an den Punkt kommen, wo wir sagen, dass wir die Flüchtlinge nehmen, die wir brauchen oder nehmen wir die, die wir mögen und dass gilt es in jedem Fall zu verhindern. Dafür ist eine Einwanderungspolitik zuständig, keine Asylpolitik.“

Anlass für die Debatte ist die Zahl von 450.000 Anträgen, die für das Jahr 2015 erwartet werden. Das wäre die größte Zahl in der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Zunächst muss man aber sehen, dass die Zahlen nicht über Nacht kommen. Sie waren die letzten fünf oder sechs Jahre vorhersehbar, weil die Krisen in den Staaten um Europa herum sich ausgebreitet haben und die Flüchtlingsströme vorhersehbar waren. Es gibt einen eindeutigen Mangel seitens unserer Regierungen in der Vorbereitung. Es war klar, dass mehr Unterkünfte gebraucht würden, diese wurden aber nicht vorbereitet, sondern es wurde in den letzten Jahren weiter abgebaut.“ In der großen Mehrheit der Bevölkerung gebe es immer noch eine große Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, berichtet Schöpf. Man reagiere auf Not, die man sehe, und wolle helfen. Es braucht aber staatliche Hilfe und Unterstützung, diese Willkommenskultur zu leben. „Es nützt mir nichts, wenn mich der Staat überrumpelt und sagt ‚Morgen kommen einhundert Leute hierhin, übermorgen kommen vierhundert Leute dahin, und später noch einmal sechshundert Leute da.‘ Damit komme ich als Bürger nicht zurecht."

Auch die Idee von Zeltstädten wird vom Sozialethiker Schöpf kritisiert, das führe zu einer Ghettoisierung und diese dann unweigerlich zu Ablehnung und weiter zum Nährboden für Gewalt. Und davon gäbe es leider schon viel zu viel.

(rv 24.07.2015 ord)








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