2015-07-15 09:23:00

Tansania: ... und das Land geht an die großen Firmen


Große Landflächen, die eigentlich der Ernährung der Menschen dienen sollen, gehen immer mehr in die Nutzung großer Konzerne über. In Tansania wird das gegen die Absicht der Regierung noch durch eine Wirtschaftsinitiative gefördert, die grundsätzlich das Gegenteil bewirken will. Eine Studie des Hilfswerks Misereor zeigt, wie komplex die Situation ist, wenn es um grundlegende Dinge wie das Recht auf Nahrung und um nachhaltiges Wirtschaften geht.

Tansania ist ein Widerspruch. Einerseits ist es ein armes Land, andererseits gibt es viel fruchtbaren Ackerboden. Um das „Landgrabbing“ zu vermeiden, also dass ganz offen Großkonzerne das Land unter sich aufteilen, hat das Land eine Initiative ins Leben gerufen. Deutschland ist eines der Helferländer, gemeinsam mit der Weltbank, G7 und Firmen wie Nestlé und Unilever, aber auch die Melinda Gates Stiftung wollen unterstützen. SAGCOT wird ein landwirtschaftlich neu organisierter Korridor genannt, eine bürokratische Abkürzung für „Southern Agricultural Growth Corridor of Tanzania“. „Die Landinvestitionen im südlichen Tansania umfassen ein Gebiet, das ungefähr so groß wie Italien ist, das umfasst etwa ein Drittel der Fläche Tansanias“, erklärt Kerstin Lanje, Referentin für Welthandel und Ernährung bei Misereor im Interview mit Radio Vatikan. Die Regierung und internationale Helfer wollen die lokale Landwirtschaft stützen und fördern. Eigentlich sollten hier Reis und Mais angebaut werden. Pflanzen, die für die lokale Bevölkerung wichtig sind, daneben gibt es auch Kaffee und Tee, auch Wälder werden neu angepflanzt. Die Behörden bestätigen jedoch, gegenüber Misereor, dass derweil immer mehr für den Export angebaut werde, erklärt Lanje. Dort sei einfach mehr Geld zu verdienen.

Leere Versprechungen: Kleinbauern im Nachteil

„Was wir in der Studie sehen können ist, dass allen betroffenen Dörfern Versprechungen gemacht worden sind, Infrastruktur etwa und der Zugang zu Gesundheitsversorgung, es wurden Arbeitsplätze versprochen und Schulen. Diese Versprechungen wurden bisher oft noch nicht eingehalten.“ Das kann man nun auf mangelhafte Umsetzung eines Konzepts schieben, die Studie zeigt aber, dass das Problem noch viel tiefer liegt, erklärt Kerstin Lanje. „Die Studie und Misereor stellen das Entwicklungsmodell, das dahinter steckt, in Frage. Die Idee ist ja, dass eine Kommerzialisierung der kleinbäuerlichen Produktion und die Integration der Bauern in die globalen Wertschöpfungsketten den Menschen aus der Armut hilft.“ Implizit heißt das, dass eine großflächig kommerzialisierte Fläche dem Modell der kleinbäuerlichen Produktion überlegen sei, diese kleinteilige Landwirtschaft sei im Gegenteil verantwortlich für die Armut. Diese Schwierigkeiten der Landwirtschaft seien aber zu lösen, erklärt Lanje, etwa durch stärkere Beteiligung der Kleinbauern. Stattdessen werde dem Privatsektor der Wirtschaft und damit den Firmen überlassen, das zu entscheiden.

Misereor: „Es geht um das Recht auf Nahrung!“

„Was wir sehen, ist dass die natürlich einen Marktzugang für ihre Produkte haben möchten. Ihre Produkte sind zum Beispiel die chemischen Düngemittel, Saatgut, Pestizide, aber sie brauchen natürlich auch Land und das ist auch erklärtes Ziel dieses Programms: Landinvestitionen sollen erleichtert werden. Im Moment ist es nicht so einfach, Land übertragen zu bekommen, aber die Regierung wirbt dafür, dass landwirtschaftlich genutztes Land auch den Investoren übertragen wird und dass es den ortsansässigen Gemeinschaften erlaubt wird, Land als Kapital in Joint Ventures einzubringen.“ Wo offener Zugang entstehen soll, wachsen Zäune, die das Land, was ihnen bleibt, von den Dörfern abschneidet. Und das nur, wenn es gut geht. Wenn das schief gehe, dann hätten die Firmen einen Verlust zu verzeichnen, mehr nicht. Die Menschen stünden dann aber ohne Land da und hätten alles verloren. Es gehe nicht um Gewinne, sondern um das Recht auf Nahrung, betont Kerstin Lanje. „Es ist wichtig, das im Blick zu haben und alles, was man im Bereich Ernährung macht, sich durch diese Brille anzuschauen: Wie kann das Recht auf Nahrung umgesetzt werden. Es darf einfach nicht dazu kommen, dass eine Maßnahme dazu führt, dass Menschen hungern. Wir zweifeln an, dass dieses neue Privatisierungs-Agrarmodell dazu führt, dass der Hunger vermindert wird. Das sehen wir nicht.“

(rv 15.07.2015 ord)








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