2015-07-13 11:13:00

Jugendtreffen: Ein freies Herz! Solidarität! Arbeit! Hoffnung!


 Dreißig Prozent der Einwohner von Paraguay sind jung: zwischen zehn und 24 Jahren. Und viele von ihnen kamen am Sonntag zum Treffen mit Papst Franziskus in Costanera: Das ist ein Gelände am Paraguay-Fluss, nicht weit vom Präsidentenpalast, das etwa 200.000 Menschen fasst. Die Stimmung: ausgelassen. „Der Papst hat frei gesprochen und eine unglaubliche Energie“, urteilt ein Beobachter. Tatsächlich wirkte Franziskus in Form, mehr noch als in den letzten zwei Tagen; er forderte die Menge zu Sprechchören auf, er ermunterte sie mit einer inzwischen berühmt gewordenen Formulierung, doch ruhig „Wirbel“ („lio“) zu machen, und gleichzeitig konnte in einem Moment spontanen Gebets tiefe Stille einkehren. „Sehr beeindruckend“, so der Beobachter.

Zu Beginn hatten zwei junge Paraguayer von ihrer Geschichte erzählt, ein mittlerweile bekanntes Format bei solchen Treffen. Bevor der Papst  ihnen antwortete, sprach er über die Freiheit der Jugend. Der Vorleser des Evangeliums hatte ihn gebeten, für die Freiheit jedes einzelnen zu beten. Und so betete der Papst frei und gemeinsam mit den Jugendlichen: „Herr Jesus, gib mir ein freies Herz, dass ich kein Sklave all der Fallen der Welt werde, dass ich kein Sklave der Bequemlichkeit werde, dass ich kein Sklave des guten Lebens und der Sünde werde, dass ich kein Sklave einer falschen Freiheit werde, die allem nachgibt, was mir gerade jetzt gefällt.“ Es brauche ein freies Herz, so der Papst, weil es so viele Fesseln gebe, die ausbeuten und unterdrücken. Es braucht „ein Herz, das sagen kann, was es denkt, das sagen kann, was es fühlt, und das tun kann, was es denkt und fühlt. Das ist ein freies Herz“, so der Papst unter dem Jubel der versammelten Jugend.

Dann die Antwort auf die beiden starken Erzählungen. Ein 18-Jähriger vom Land berichtete zunächst in einer Ansprache an den Papst, wie er Kinderarbeit habe leisten müssen und misshandelt worden sei: „Wir leben mit einer unsicheren Zukunft, viele von uns sind arbeitslos, viele können nicht studieren – was sollen wir tun, zu wem können wir da gehen?“ Und eine 25-jährige ausgebildete Krankenschwester erzählte, dass ihre Mutter nach einer Pneumonie schwer pflegebedürftig geworden sei und Alzheimer habe: „Sie ist wieder wie ein kleines Mädchen geworden. Heute glaubt sie, ich wäre ihre Mamma und sie wäre meine Tochter. Warum passieren solche Sachen?“

Ein freies Herz bewahren

Franziskus legte – nicht zum ersten Mal auf dieser Lateinamerika-Reise – seinen vorbereiteten Redetext beiseite, um auf die Fragen und Geschichten der jungen Leute zu antworten.  Liz – die Krankenpflegerin – hätte sich wie Pontius Pilatus verhalten können und sich die Hände waschen können. Die Mutter in ein Heim, die Großmutter in ein anderes, und dann hätte sie ihr Leben leben können. Das habe sie aber nicht getan. „Aber sie sagte Nein! Die Mamma... Und Liz hat sich zur Sklavin, zur Dienerin ihrer Mutter gemacht. Und sie tat es voller Liebe!“ Dabei sei sie aber auch, wie sie zu Recht bemerkt habe, nicht allein gewesen, so Franziskus. Die jungen Leute in ihrer Pfarrei seien ihr zur Seite gestanden. „Das heißt: Solidarität. Wie heißt das? (Antwort der Menge: Solidarität!) Wenn wir uns das Problem des anderen auf die Schultern laden.“ Liz besitze, worum Orlando gebeten habe, nämlich ein freies Herz.

„Das heißt: Solidarität. Wie heißt das? Solidarität.“

Wie sieht also die Freiheit konkret aus, fragte der Papst: „Erstens: Freiheit. Ein freies Herz. Also, alle zusammen: Ein freies Herz! Zweitens: Solidarität, um andere zu begleiten. Solidarität! Das ist es, was uns dieses Zeugnis von Liz lehrt. Und was Manuel betrifft (die zweite Erzählung): Dem wurde im Leben nichts geschenkt... Er hat harte Dinge gesagt: Ich wurde ausgebeutet, ich wurde misshandelt, ich wurde fast drogenabhängig, ich war allein... Wie viele von euch Jugendlichen haben heute die Möglichkeit zu studieren, sich jeden Tag mit der Familie an einen gedeckten Tisch zu setzen, ohne dass es ihnen am Nötigsten fehlt? Wie viele von euch haben das? Dann sagt einmal: Danke, Herr! Danke! Denn hier haben wir heute das Zeugnis eines jungen Mannes gehört, der von Kindheit an erfahren hat, was Schmerz ist, Traurigkeit, der nichts zu essen hatte und auf sich allein gestellt war. Herr, rette diese Mädchen und Jungen, die in einer solchen Lage sind! Und was uns Übrige betrifft: Herr, danke! Danke, Herr! Alle: Danke!“

Die Seligpreisungen Jesu sind der Plan Jesu für uns

Dienst, Solidarität und Hoffnung, harte Arbeit, weiter gehen, das seien die Dinge, die Manuel und Liz durch ihr Zeugnis gezeigt hätten. Junge Leute, denen es heute einigermaßen gut gehe, sollten nie vergessen, dass viele Altersgenossen auf der Straße lebten und in die Kriminalität abrutschten, rief Franziskus. „Diesen Jungen, diesen Mädchen müssen wir sagen, dass wir ihnen nahe sind, dass wir ihnen helfen wollen – mit Solidarität, mit Liebe, mit Hoffnung.“

Liz habe gesagt, dass sie in ihrer Geschichte begonnen habe Jesus kennenzulernen und zu verstehen. Das bedeute, der Hoffnung die Tür zu öffnen. Manuel habe gesagt, dass die Begegnung mit Gott ihn gestärkt habe. Das gelte für alle hier, so der Papst, wer Gott finde, wer Jesus kennen lerne, der finde auch Hoffnung und Kraft – und das sei genau das, was junge Leute von heute brauchten. „Wir wollen keine schwächlichen Jugendlichen, die nur rumhängen, die sofort müde werden und immer erschöpft sind, mit einem Langeweile-Gesicht. Wir wollen starke Jugendliche, mit Hoffnung und Kraft! Warum? Damit sie Jesus, damit sie Gott kennenlernen! Damit sie ein freies Herz haben. Wiederholt das: Ein freies Herz! Solidarität! Arbeit! Hoffnung! Anstrengung! Jesus kennenlernen. Gott kennenlernen, meine Stärke. Hat ein Jugendlicher, der so lebt, ein gelangweiltes Gesicht? (Nein!) Hat er ein trauriges Herz? (Nein!) Das ist der Weg! Aber dafür braucht es Opfer, dafür muss man gegen den Strom schwimmen. Die Seligpreisungen Jesu sind der Plan Jesu für uns; der Plan ist ein Plan zum gegen-den-Strom-Schwimmen.“

Jesus sage nicht etwa: Selig die Reichen. Vielmehr preise er die „Armen im Geiste“ selig, „diejenigen, die imstande sind, einem Armen näherzukommen“. Jesus sage auch nicht: Selig, die sich amüsieren, sondern er preise diejenigen selig, „die den Schmerz anderer mitfühlen können“. „Ich empfehle euch, die Seligpreisungen noch einmal zu lesen, zu Hause, sie stehen im 5. Kapitel des Matthäusevangelilums. In welchem Kapitel?“ Die Menge ruft „Fünf“. „In welchem Evangelium?“ Die Menge antwortet „Matthäus“. „Lest es und meditiert es, das hilft!“

Macht Unruhe!

Unruhe sollten sie machen, mit diesem bekannten Aufruf schloss der Papst seine frei gehaltene Ansprache. Aber er fügte einen neuen Gedanken an: organisiert diese Unruhe! , rief er den jungen Menschen zu. „Das sind die zwei Sachen, macht Unruhe und organisiert das. Eine Unruhe, die uns ein freies Herz gibt, die uns Solidarität gibt, eine Unruhe, die uns Hoffnung gibt, eine Unruhe, die aus der Begegnung mit Jesus wächst und aus dem Wissen, dass Gott meine Kraft ist. Das ist die Unruhe, die ihr machen sollt.“

(rv 13.07.2015 sk/ord)








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