2015-07-12 23:30:00

Papstansprache: „Jesus belügt uns nicht"


Text der Ansprache von Papst Franziskus bei der Begegnung mit Jugendlichen. Der Papst hat die Ansprache nicht gehalten, aber den Jugendbischof gebeten, sie zu veröffentlichen. Asunciónn, Flusspromenade „Costanera“, 12. Juni 2015.

Der Papst antwortete auf zwei junge Paraguayer: Manuel de dos Santos ist 18 und hat schon jetzt eine Geschichte von Gewalt und Ausbeutung hinter sich. Seine armen Eltern hatten ihn in die Stadt abgeben müssen, dort kam er an Drogen. Zurück auf dem Land, um der Mutter zu helfen, kam er in Kontakt mit anderen jungen Menschen, die sich pastoral engagierten, in Exerzitien und anderen Dingen, und so lernte er Gott kennen. Liz Fretes ist mit ihren 25 Jahren nicht viel älter, sie ist Krankenpflegerin und in der Jugendarbeit aktiv. Sie kümmert sich um die Mutter, die geistig verwirrt ist. Sie berichtet davon, dass sie den Eindruck hat, dass es für sie nun Zeit ist, das Gute zurückzugeben, was sie in ihrem Leben empfangen hat, weil sie hat zur Schule gehen können, und all das, was die Mutter für sie getan hat. Außerdem berichtete sie von Hilfe aus der Gemeinde. Sie fühle sich heute reifer und stärker, aber suche immer noch nach dem Weg, den Gott für sie wolle.

 

 

Liebe junge Freunde,

es ist mir eine große Freude, mich mit euch treffen zu können, in dieser Feststimmung; eure Zeugnisse hören und eure Begeisterung und Liebe für Jesus teilen zu können.

Ich danke Bischof Ricardo Valenzuela, dem Verantwortlichen für die Jugendpastoral, für seine Worte. Ich danke Manuel und Liz für ihren Mut, ihr Leben, ihre Zeugnis in dieser Begegnung mit uns zu teilen. Es ist nicht leicht, über persönliche Dinge zu sprechen, und noch weniger vor so vielen Menschen. Ihr habt den größten Schatz, den ihr besitzt – eure Geschichte, euer Leben und wie Jesus in dieses eingetreten ist –, mit uns geteilt.

 

Um auf eure Fragen zu antworten, würde ich gerne einiges von dem herausheben, was ihr uns mitgeteilt habt.

Manuel, du hast uns gesagt: „Heute ist es mir eine Lust, den anderen zu dienen, ich habe das Verlangen, mich zu überwinden.“ Du hast sehr schwierige Momente, sehr schmerzliche Situationen durchgemacht, aber jetzt möchtest du sehr gerne den anderen dienen, mit ihnen ausgehen, dein Leben mit ihnen teilen.

Liz, es ist durchaus nicht leicht, „Mutter“ für die eigenen Eltern zu sein, und besonders, wenn man jung ist. Doch welche Weisheit und Reife sind in deinen Worten, als du uns gesagt hast: „Jetzt spiele ich mit ihr, wechsle die Windeln; das sind alles Dinge, die ich heute Gott darbringe, und ich gleiche damit kaum all das aus, was meine Mutter für mich getan hat.“

Ihr jungen Paraguayer seid wirklich tapfer!

Ihr habt auch mitgeteilt, was ihr getan habt, um weiterzumachen; wo ihr die Kraft gefunden habt. Beide habt ihr gesagt: in der Pfarrgemeinde. Bei den Freunden aus der Pfarrei und bei den Einkehrtagen, die dort durchgeführt wurden. Zwei sehr wichtige Schlüssel: die Freunde und die Einkehrtage.

Die Freunde – die Freundschaft ist eines der größten Geschenke, die eine Person, ein junger Mensch besitzen und anbieten kann. Das ist wahr. Wie schwer ist es, ohne Freunde zu leben! Und passt auf, es ist etwas vom Schönsten, was Jesus euch sagt: „Ich habe euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,15). Eines der größten Geheimnisse der Christen liegt darin, Freunde zu sein, Freunde Jesu. Wenn einer den anderen gern hat, steht er ihm zur Seite, kümmert sich um ihn, hilft ihm, sagt ihm auch seine Meinung, aber er verlässt ihn nicht. So ist Jesus mit uns, niemals verlässt er uns. Freunde ertragen und stützen einander, sie begleiten einander, beschützen sich gegenseitig. So ist der Herr mit uns. Er erträgt und stützt uns.

Die Einkehrtage – Der heilige Ignatius schlägt eine berühmte Meditation vor, die sogenannte Betrachtung von den "zwei Bannern". Er beschreibt auf der einen Seite die Fahne des Teufels und auf der anderen die Fahne Christi. Das wäre ungefähr wie die Trikots zweier Mannschaften, und er fragt uns, in welcher wir spielen möchten.

Mit dieser Meditation führt er uns dazu, uns auszumalen, wie es wäre, zur einen oder zur anderen Mannschaft zu gehören. Als fragte er uns: Mit wem möchtest du in deinem Leben spielen?

Und der heilige Ignatius sagt, dass der Teufel, um Spieler anzuwerben, ihnen verspricht, dass sie mit Reichtum, Ehren, Herrlichkeit und Macht spielen werden. Sie werden berühmt sein, von allen vergöttert werden.

Auf der anderen Seite stellt er uns den Spielstil Jesu vor. Nicht als etwas Großartiges. Jesus stellt nicht ein Leben als Star, als Berühmtheit vor uns hin; im Gegenteil: Er sagt uns, dass mit ihm zu spielen eine Einladung zur Demut, zur Liebe, zum Dienst an den anderen ist. Jesus belügt uns nicht. Er nimmt uns ernst.

In der Bibel wird der Teufel „Vater der Lüge“ genannt (Joh 8,44). Derjenige, der dir versprach, oder besser gesagt, der dich glauben ließ, dass du glücklich sein würdest, wenn du gewisse Dinge tätest. Und dann merktest du, dass du keineswegs glücklich warst; dass du einer Sache nachgelaufen warst, die – weit davon entfernt, dir Glück zu schenken – dir ein Gefühl von noch größerer Leere, von noch mehr Traurigkeit vermittelte. Liebe Freunde, der Teufel ist ein „Seifenblasenverkäufer“. Er verspricht und verspricht dir, gibt dir aber nichts; niemals erfüllt er etwas von dem, was er dir zugesagt hat. Er ist ein schlechter Bezahler. Er lässt dich Dinge ersehnen, deren Erlangung nicht von ihm abhängt. Er lässt dich deine Hoffnung auf etwas setzen, das dich niemals glücklich machen wird. Das ist sein Spiel, das ist seine Strategie. Viel reden, viel anbieten und nichts tun. Er ist ein großer „Seifenblasenverkäufer“, denn alles, was er uns vorschlägt, ist ein Ergebnis der Spaltung, des Sich-Vergleichens mit den anderen, eines Hinweggehens über die Köpfe der anderen, um die eigenen Ziele zu verfolgen. Er ist ein „Seifenblasenverkäufer“, denn der einzige Weg, um all das zu erreichen, ist, deine Freunde beiseite zu lassen, niemanden zu ertragen.  Denn alles beruht auf dem Schein. Er lässt dich glauben, dass dein Wert davon abhängt, wieviel du besitzt.

Im Gegensatz dazu halten wir uns an Jesus, der uns sein Spiel anbietet. Er verkauft uns keine Seifenblasen, verspricht uns keine scheinbar großen Dinge. Er sagt uns nicht, dass das Glück in Reichtum, Macht und Hochmut bestehen wird. Im Gegenteil. Er zeigt uns, dass der Weg ein anderer ist. Dieser „technische Leiter“ sagt zu seinen Spielern: Selig, glücklich, die arm sind vor Gott, selig die Trauernden, die Sanftmütigen und die, welche hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, selig die Barmherzigen und die, welche ein reines Herz haben, selig die Frieden stiften und die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Und zum Abschluss sagt er ihnen: Freut euch über all das (vgl. Mt 5, 2-12).

Warum? Weil Jesus uns nicht belügt. Er zeigt uns einen Weg, der Leben ist, der Wahrheit ist. Er selbst ist der große Beweis dafür: sein Stil, seine Art, das Leben, die Freundschaft, die Beziehung zu seinem Vater zu leben. Und das ist es, wozu er uns einlädt: uns als Söhne und Töchter zu fühlen. Als geliebte Kinder.

Er verkauft dir keine Seifenblasen. Denn er weiß, dass das Glück, das wahre Glück, das das Herz erfüllt, nicht in den „Klamotten“ liegt , die wir tragen, in den Schuhen, die wir anziehen, im Etikett einer bestimmten Marke. Er weiß, dass das wahre Glück darin besteht, einfühlsam zu sein, zu lernen, mit den Weinenden zu weinen, den Trauernden nahe zu sein, zu helfen, zu umarmen. Wer nicht zu weinen versteht, ist auch nicht fähig, zu lachen, und versteht daher nicht, zu leben. Jesus weiß, dass in dieser Welt mit so viel Konkurrenz, Neid und so viel Aggressivität das wahre Glück erreicht wird, indem man lernt, geduldig zu sein, die anderen zu achten und niemanden zu verurteilen und zu richten. Wer in Zorn gerät, verliert, sagt das Sprichwort. Gib dein Herz nicht dem Zorn und dem Groll hin. Glücklich die Barmherzigen. Glücklich, die sich in die Lage des anderen zu versetzen wissen, die fähig sind, zu umarmen und zu vergeben. Wir alle haben das schon erlebt. Alle haben wir irgendwann Vergebung erfahren. Wie schön das ist! Es ist, als bekomme man das Leben zurück, es bedeutet, eine neue Chance zu haben. Es gibt nichts Schöneres, als neue Chancen zu haben. Das ist, als ob das Leben von neuem beginnen würde. Darum sind die glücklich, die neues Leben bringen, neue Chancen geben. Glücklich, die dafür arbeiten, die darum ringen. Fehler begehen wir alle, tausend Irrtümer. Darum sind die glücklich, die fähig sind, anderen in ihren Fehlern, in ihren Irrtümern zu helfen. Die wirkliche Freunde sind und niemanden verlassen. Das sind die mit dem reinen Herzen, denen es gelingt, über das unmittelbare Ärgernis hinaus zu sehen, und die die Schwierigkeiten überwinden. Glücklich, die vor allem das Gute der anderen sehen.

Liz, du hast Chikitunga, diese paraguayische Dienerin Gottes, erwähnt und gesagt, dass sie wie deine Schwester, deine Freundin, dein Vorbild war. Sie zeigt uns wie viele andere, dass der Weg der Seligpreisungen ein Weg der Fülle ist, ein möglicher, ganz realer Weg, der das Herz erfüllt. Sie sind unsere Freunde und Vorbilder, die schon aufgehört haben, auf diesem „Spielfeld“ zu spielen, sich aber als jene unentbehrlichen Spieler erweisen, auf die man immer schaut, um sein Bestes zu geben. Sie sind der lebendige Beweis dafür, dass Jesus kein „Seifenblasenverkäufer“ ist; sein Angebot ist die Fülle. Doch vor allen Dingen ist es ein Angebot der Freundschaft, einer wahren Freundschaft, jener Freundschaft, derer wir alle bedürfen. Freunde im Stil Jesu. Aber nicht, um unter uns zu bleiben, sondern um hinauszugehen aufs „Spielfeld“, um aufzubrechen und noch mehr Freunde zu gewinnen. Um die Freundschaft Jesu gleichsam durch „Ansteckung“ in die Welt zu tragen – wo immer ihr seid, bei der Arbeit, im Studium, in der Freizeit, über whastapp, facebook oder twitter; wenn ihr zum Tanzen geht oder wenn ihr zusammen einen guten kalten Matetee trinkt; auf dem Platz oder beim Fußballspiel im Quartier. Das sind die Orte der Freunde Jesu. Sie verkaufen keine Seifenblasen, sondern ertragen und unterstützen: haben Ausdauer. Die Ausdauer, zu wissen, dass wir glücklich sind, weil wir einen Vater haben, der im Himmel ist.

 

(rv 12.07.2015 ord)








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