Gradualität, das ist ein Voranschreiten in der Verwirklichung der Gebote Gottes.
So hat der Kardinal von Wien Christoph Schönborn, Dogmatiker und einer der Synodenväter
bei der Bischofsversammlung von 2014, seinerzeit den Begriff im Gespräch mit uns erklärt.
„Das Wort Gradualität ist an sich ein klassischer Begriff aus der Moraltheologie.
Der heilige Papst Johannes Paul hat diesem Wort eine entscheidende Rolle zugewiesen
in seinem nachsynodalen Schreiben „Familiaris Consortio“ von 1984; dort gibt es einen
Artikel 34, wo genau diese Frage angesprochen wird. Und es ist kein Zufall, dass es
wieder auf einer Synode über die Familie aufgegriffen wird. Im Grund ist es eine ganz
einfache Sache: Die Gebote Gottes sind nicht graduell. Du kannst nicht ein bisschen
töten – töten ist töten. Gut, beim Lügen ist es etwas komplizierter. Die klassische
Lehre sagt, in der Verwirklichung der Gebote Gottes ist unsere Praxis oft graduell.
Wir verwirklichen nicht das volle Programm, wir sagen damit aber nicht, dass das Teilprogramm
schon genügt. Eine Gradualität der Verwirklichung der Gebote Gottes ist einfach ein
Ausdruck für die Begleitung von Menschen, die auf dem Weg sind. Und wir sind alle
auf dem Weg. Ein ganz einfaches Beispiel: Ich bin Christ, fast 70 Jahre alt. Aber
ich würde von mir nicht behaupten, dass ich schon am Ende der Verwirklichung meines
Christseins bin. Ich habe noch viele mögliche Grade der Steigerung, der Entwicklung,
in meinem Christsein. Die Gradualität der Verwirklichung des Gesetzes, darum geht
es, nicht die Gradualität des Gesetzes. Das hat schon Johannes Paul II. gelehrt, ist
klassische Lehre, und wird jetzt angewendet auf die Situationen, wenn junge Leute,
wie es weltweit mehr und mehr vorkommt, zusammenleben, ohne kirchlich verheiratet
zu sein. Da kann man nicht sagen, dass das schon das Sakrament der Ehe ist, aber man
kann auch sagen, ihr seid unterwegs - wenn ihr unterwegs sein wollt.“
(rv 23.06.2015 gs)
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