2015-06-22 10:47:00

Papst an Waldenser: „Ich bitte um Vergebung“


Hunderte von Jahren nach der Verfolgung der Waldenser durch die Kirche hat Papst Franziskus sie um Vergebung gebeten. In Turin besuchte er am Montagmorgen die Waldenserkirche der Stadt, die dieser Gemeinschaft im 19. Jahrhundert als erste offiziell Religionsfreiheit gewährt hat. In seiner Rede ging der Papst explizit auf die Sünden der Vergangenheit ein.

„Ich bitte euch von Seiten der katholischen Kirche um Vergebung für all jene unchristlichen, ja unmenschlichen Handlungen und Einstellungen, die wir in der Geschichte, (vermeintlich) im Namen Christi, gegen euch gerichtet haben. Im Namen Christi, vergebt uns!“

Der Papst ging auch auf einen Appell des Waldenser-Pastors und Gastgebers, Eugenio Bernardi, ein: Dieser hatte in seiner Grußansprache an Franziskus um die Interkommunion zwischen Katholiken und Waldensern gebeten. Es sei der Wunsch aller Christen, auch zur Einheit in der Eucharistie zu gelangen, entgegnete Franziskus. Und er erinnerte daran, dass die Waldenser-Gemeinschaft dem katholischen Erzbistum Turin für die Ostervigil den Wein geschenkt hatte; umgekehrt hatte das Erzbistum den Waldensern das Brot für das Abendmahl an Ostern geschenkt. „Das ist eine Geste, die weit über die Höflichkeit hinaus geht! Sie lässt uns jene Einheit am eucharistischen Tisch vorschmecken, die wir alle begehren“, so der Papst wörtlich.

Der Besuch des Papstes in der Waldenserkirche stellte eine historische Premiere dar. Seine Ansprache in dem „Tempio“, wie er auf Italienisch heißt, begann Franziskus mit einer kleinen Geste: Er zitierte den Apostel Paulus, der in der protestantischen Tradition sehr geschätzt wird – und zwar aus einer gemeinsamen übersetzten Bibel, an der unter anderem der verstorbene Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini mitgearbeitet hatte. Martini, ein namhafter Bibelkenner, war wie Franziskus Jesuit.

Der Papst erinnerte daran, dass die Waldenser auch in seiner Heimat Argentinien sehr präsent und sehr stark im sozialen Bereich aktiv seien. „Das ist ein Bereich, in dem wir gemeinsam mehr arbeiten könnten! In der Güte, die der Herr uns schenkt, können wir so sein barmherziges Angesicht bezeugen, das voll Erbarmen auf alle blickt, insbesondere auf jene, die Hilfe benötigen. Der Blick auf die Armen und Letzten, also auf jene, die von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, nähert uns noch mehr einander an.“

Immerhin gebe es schon viel gemeinsames Engagement, so der Papst, und er verwies als Beispiel auf einen gemeinsamen Appell beider Kirchen in Italien gegen Gewalt an Frauen.

„Eine der Früchte der Ökumene, die wir bereits in diesen Jahren einbringen konnten, ist die ,Wiederentdeckung der Geschwisterlichkeit´, die uns alle als Gläubige in Jesus Christus und in der Taufe in seinem Namen verbindet. Diese Verbindung stützt sich nicht einfach auf menschliche Kriterien, sondern auf eine tiefe Verbindung: die Begegnung mit der Liebe Gottes, die sich uns durch Jesus Christus und den Heiligen Geist zeigt.“

Der Papst bedankte sich dafür, dass die Waldenser ihn in ihre Kirche eingeladen hatten. „Ich hoffe, dass damit eine neue Art des gegenseitigen Umgangs beginnt, in der zuerst auf die Größe unseres gemeinsamen Glaubens und unseres Lebens in Christus und dem Heiligen Geist geschaut wird und erst in einem zweiten Schritt auf das, was uns noch trennt. Ich verspreche euch mein Gebet und bitte euch, dass ihr für mich betet.“ Zum Abschluss des Besuches beteten alle gemeinsam das Vaterunser.

(rv 22.06.2015 mg)








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