2015-06-20 12:24:00

„Derselbe Atem wie bei Pacem in Terris“


 Sie beschreibt eine dramatische Situation: Umweltverschmutung allenthalben, die Erde als Müllkippe. Und doch ist die neue Enzyklika „Laudato Si´“ von Papst Franziskus ein durch und durch optimistischer Text.

Noch „ist nicht alles verloren“, heißt es da, „denn die Menschen … können sich auch beherrschen, sich wieder für das Gute entscheiden und sich bessern“ (Nr. 205). Dieser hoffnungsvolle Ton erinnert den italienischen Bischof Mario Toso aus Faenza an eine andere Enzyklika: Pacem in Terris nämlich, zu deutsch „Frieden auf Erden“ – die erste Enzyklika, die sich ausdrücklich an „alle Menschen guten Willens“ richtete. Autor: der hl. Johannes XXIII. Zeitpunkt: 1963, kurz nach der Kubakrise.

„Es ist doch frappierend, wie Franziskus versucht, alle in eine breite ökologische Weltbewegung mit einzubeziehen, und welches Zutrauen er hat, dass alle beim Bau des gemeinsamen Hauses mitmachen können!“ Das sagte Toso im Gespräch mit Radio Vatikan. Der Bischof war bis vor wenigen Wochen Sekretär im vatikanischen Friedensrat – dem Rat also, der kräftig an „Laudato Si´“ mitgetextet hat. „Papst Franziskus stellt sich in die Tradition der Pacem in Terris, das ist derselbe gesunde Optimismus, und er wendet sich sogar nicht nur an alle Menschen guten Willens, sondern rundweg an alle. Die Komplexität der ökologischen Krise und ihre vielfältigen Ursachen brauchen ja auch den Beitrag aller – die Lösungen können laut Franziskus nicht von einer einzigen Art und Weise, wie man die Welt interpretiert und verändert, herkommen. Dann hat mich auch diese Definition des Klimas als Gemeinwohl beeindruckt. Und der Mut, denen, die mehr Ressourcen und Geld haben, Grenzen setzen zu wollen, um eine wirtschaftliche Freiheit für alle zu erreichen.“

UNO muss reformiert werden

Ein origineller Text, findet Bischof Toso. Aber er wäre kein langjähriger Vatikanmitarbeiter, wenn er nicht gleichzeitig alles auf einer Linie mit dem bisherigen päpstlichen Lehramt sähe. „Mir fallen Kontinuität und Diskontinuität gleichermaßen auf. Hier wird nämlich die frühere Lehre der Päpste aktualisiert, aber ohne Bruch. Das sieht man, wenn man „Laudato Si´“ mit der großen Sozialenzyklika von Benedikt XVI. vergleicht, also „Caritas in veritate“. Der deutsche Papst handelt die Umweltfrage im größeren Zusammenhang von Entwicklung ab, und im Zusammenhang mit dem Respekt vor dem Leben. Der Ansatz ist vor allem theologisch, da wird der Zusammenhang Mensch-Menschheitsfamilie-Umwelt skizziert, um zu sagen: Die Natur ist keine Wirklichkeit, die der Mensch geschaffen oder erfunden hätte, sondern etwas Vorgefundenes. Darauf stützt sich nun Franziskus, geht aber noch ein paar Schritte weiter. Er wird konkret: Klimawandel, und wie er zur Migration von Tieren, aber auch Menschen führt. Die Trinkwasserfrage, der Verlust der Biodiversität, der menschliche und soziale Niedergang in Stadt und Land, die Ungleichheit auf dem Planeten – und wie der Niedergang von Umwelt und Gesellschaft vor allem die Schwächsten trifft.“

Wie schon im großen Dokument von Aparecida, das der heutige Papst als Erzbischof von Buenos Aires in wesentlichen Teilen verantwortete, geht auch die Enzyklika einen Dreischritt: Sehen – urteilen – handeln. Der letzte Teil von „Laudato Si´“ bietet also ganz konkrete Empfehlungen; sicher wird sich einiges davon in der Rede, die Franziskus Ende September vor der UNO halten wird, wiederfinden. Sagt Bischof Toso. „Um die Frage einer ganzheitlichen Ökologie anzugehen, schlägt Franziskus vor allem einen breiten nationalen Konsens vor, der dann zu Lösungen führen soll, etwa für erneuerbare Energie, mehr Energieeffizienz, eine bessere Verwaltung der Ressourcen, gleichen Zugang zu Trinkwasser für alle usw. Der Papst sieht ein Defizit an politischer Entschlossenheit, das er an den bisherigen globalen Umweltgipfeln festmacht. Gebraucht werden internationale Abkommen über eine Governance in der ganzen Palette des Gemeinwohls, globale Regelwerke, auch eine echte politische Welt-Autorität. Was gleichbedeutend ist mit dem Satz: Die UNO muss reformiert werden. Für Franziskus kommt noch hinzu, dass er auf eine stärkere Rolle der Zivilgesellschaften setzt, auf eine neue Saison der Demokratie von unten. Sie soll die Politik an ihre Aufgabe erinnern, sich für das Welt-Gemeinwohl verantwortlich zu fühlen.“

(rv 20.06.2015 sk)








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