2015-06-19 15:48:00

Turin: Ein Besuch bei Don Bosco


Heilige gehören den Gläubigen der ganzen Welt, aber sie haben ihre Orte: Orte, an denen die Verehrung für sie auf großer Flamme köchelt. Assisi steht für Franziskus, Avila für Theresa, und Turin für Don Bosco (1815-1888). Ein Gebäudekomplex in der Ausdehnung eines Stadtviertels, Valdocco genannt, ist Synonym für den Heiligen, der diese Einrichtung mit seinen Helfern in jahrzehntelanger Arbeit errichtete. Und noch 150 Jahre später pulsiert in diesem Turiner Wallfahrtsort das Charisma des Mannes, der sich mit seinem ganzen Priesterleben für benachteiligte Jugendliche in die Bresche warf. Gudrun Sailer war zu einer Visite an dem Ort, den Papst Franziskus am Sonntag nach seiner Meditation am Turiner Grabtuch besuchen wird.

Heiterkeit und Andacht gleichermaßen schlagen dem Besucher entgegen. Und Vorfreude auf den hohen Gast in Weiß. Die Salesianer – also jene Ordensmänner, deren Kongregation Don Bosco gründete - tragen heutzutage meist keine Ordenstracht. Pater Rafael Gasol kommt mir mit strahlendem Gesicht und einer lilaweißen Freiwilligen-Uniform entgegen.

Die Höfe im Valdocco sind riesenhaft und voll: Gruppen, Pilger, Kinder und Ordensleute drängen sich darin. Verloren fühlt sich hier dennoch niemand. Das ist den 260 Freiwilligen zu danken, die jeden Besucher herzlich begrüßen und im Notfall mit einem Pflaster versorgen, wenn der Schuh drückt. Unser Auftrag lautet: aufnehmen, erklärt Pater Rafael die Essenz von Don Bosco.

„Aufnehmen: Das heißt, ein immer offenes Haus, einen immer offenen Hof zu haben. Wer auch immer kommt, was auch immer dieser Mensch denkt oder hat oder nicht hat: er soll hier einen Ort der Aufnahme finden. Einen Ort, ein Haus.“

Pater Rafael führt derzeit im Dauereinsatz durch die Mariahilfbasilika, wo der Heilige bestattet ist, durch die historischen Gebäudeflügel des Valdocco und durch das Oratorium. In diesem Hof fühlen sich gerade mindestens 300 Kinder spürbar sehr zu Hause.

Valdocco bedeutet Tal der Ermordeten. Hier vor den Stadtmauern Turins stand der Galgen, an dem im 19. Jahrhundert viel zu viele verwahrloste junge Kleinkriminelle starben. Don Bosco holte die Straßenkinder zu sich, unterwies sie, baute eine Berufsschule, eine Kirche, Raum für Erholung, lebte und lachte mit ihnen. Dass diese Burschen vom Beginn ihres Lebens an gescheiterte Existenzen sein sollten, Abschaum, menschlicher Müll, war ein Gedanke, den der Priester als zutiefst unchristlich erkannte. Don Bosco schrieb im 19. Jahrhundert der katholischen Kirche das ein, was Papst Franziskus heute als ihren Kernauftrag benennt: an die Ränder gehen. Valdocco ist seit 150 Jahren ein Tal des Lebens.

„Don Bosco hat hier im Tal der Ermordeten begonnen – am Ostersonntag, 1864 war das. Und er wurde ein Heiliger der Kirche an einem Ostersonntag. Deshalb soll das hier ein österlicher Ort sein. Wo man Freundschaft und Versöhnung mit Gott findet, die Eucharistie feiert, einander begegnet, lernt und spielt. All das ist Valdocco.“

Schon als Erzbischof hat Bergoglio, dessen Großvater aus Turin stammte, öfter in Valdocco Station gemacht, verrät Pater Rafael. Die Arbeit der von Don Bosco gegründeten Kongregation der Salesianer in Argentinien habe Bergoglio außerordentlich geschätzt. Und, ja: Don Bosco hatte die erste Gruppe von Mitstreitern außerhalb Turins seinerzeit ausgerechnet nach Buenos Aires geschickt. Bei den Patres und den Freiwilligen in Valdocco jedenfalls kennt die Begeisterung für den Besucher keine Grenzen.

„Wir können es nicht erwarten! Franziskus hier, das ist für mich ein Anfang, kein Ende; er ist ja ein wenig der Papst der positiven Revolutionen, …!

Bunte Bänder, Konzertproben und ein großformatiges „Benvenuto, Papa Francesco!" sind da das mindeste.

(rv 19.06.2015 gs)








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