Der Vatikan macht dem früheren Päpstlichen Nuntius in der Dominikanischen Republik den Prozess. Der aus Polen stammende frühere Erzbischof Józef Wesołowski soll in seiner Zeit als Nuntius von 2008 bis 2013 Minderjährige sexuell missbraucht haben; außerdem wird ihm zur Last gelegt, er habe vor seiner Verhaftung im September 2014 kinderpornographisches Material besessen. Erster Prozesstag ist der 11. Juli. Das legte der Präsident des Tribunals der Vatikanstadt, Giuseppe Dalla Torre, mit einem Dekret vom 6. Juni fest, das an diesem Montag bekannt wurde.
Mit dem Besitz von kinderpornographischem Material hat der frühere Erzbischof, der mittlerweile vom Vatikan in den Laienstand versetzt worden ist, laut Anklage gegen ein 2013 von Papst Franziskus eingeführtes Gesetz verstoßen. Für seine Taten in der Dominikanischen Republik stützt sich die Anklage auf Unterlagen, die die Justiz von Santo Domingo dem Vatikan übermittelt hat. Das Vatikan-Statement von diesem Montag spricht von „schwerwiegenden Vorwürfen“ gegen Wesołowski sowie von einer „schwierigen“ Wahrheitsfindung. Es ist der erste Prozess im Vatikan gegen einen hochrangigen Geistlichen wegen sexuellen Missbrauchs, der nicht unter disziplinarischen Gesichtspunkten geführt wird, sondern wegen krimineller Taten.
Wesołowski droht eine Haftstrafe
Das Vatikanstatement präzisiert, dass das Vatikangericht gegebenenfalls Gutachten über die Computer Wesołowskis einholen wird und zur Zusammenarbeit mit der Justiz der Dominikanischen Republik bereit ist. Im vergangenen Dezember hatte der Generalstaatsanwalt von Santo Domingo Gespräche im Vatikan geführt.
Wesołowski steht derzeit im Innern der Vatikanstadt unter Hausarrest; im vergangenen Februar war er von der vatikanischen Staatsanwaltschaft verhört worden. Gegen seine Entlassung aus dem Klerikerstand, der im Juni 2014 von der Glaubenskongregation verhängt wurde, hat er Berufung eingelegt. Bei einer Verurteilung im anhängigen Vatikan-Prozess riskiert der frühere Papst-Botschafter eine mehrjährige Haftstrafe. Diese könnte er entweder im Vatikan oder auch in Italien verbüßen; möglich sind außerdem eine Auslieferung nach Polen bzw. in die Dominikanische Republik.
(rv 15.06.2015 sk)
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