2015-06-12 11:22:00

Militärbischof Overbeck: „Riss durch die gesamte Persönlichkeit“


Wenn Soldaten aus dem Ausland wiederkehren - etwa aus Afghanistan - stehen sie zu Hause vor enormen Herausforderungen. Militärbischof Franz-Josef Overbeck fordert im Interview mit dem Kölner Domradio mehr Akzeptanz dafür in der Gesellschaft. „Das eine ist, neu wieder zu lernen: Es gibt natürlich eine Routine im Alltag – in Afghanistan wie auch hier in Deutschland, aber eben eine andere Form von Routine“, so Overbeck. Dies bedeute: „Wenn man zurück in die Heimat gekehrt ist, sie zusammenzubinden mit den alltäglichen Erfahrungen des Miteinanders mit den Familienangehörigen, mit den Freunden. Sie zusammenzubinden mit Menschen, die diese Erfahrung, in Afghanistan gewesen zu sein, nicht teilen können. Und von daher gilt es dann eben nicht mehr, dass jeder Tag ein Mittwoch ist, weil die Unterschiede der alltäglichen Erfahrungen, die zu bewältigen sind, immer größer werden.“

Die Kirche unternehme viel, wenn Soldaten traumatisiert zurückkommen, so Overbeck: „Wir – die evangelische und katholische Kirche – waren die ersten, die deutlich gesagt haben: Es gibt sie, die Soldatinnen und Soldaten, die mit dem, was heute ,postttraumatische Belastungsstörung' genannt wird, nach Hause zurückkehren. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen: Es gibt viele Perspektiven, die dabei zu bedenken sind. Das ist die private, persönliche, das ist oft die psychologische, manchmal auch die psychiatrische und medizinische Indikation. Das sind vielfach Fragen des Umgangs mit dem eigenen Körper. Das sind Erfahrungen der Reflexion auf die gemachten Erfahrungen von Gewalteinwirkung oder der Möglichkeit, im Blick auf andere Gewalt ausgeübt zu haben. Hier sind wir in der Seelsorge vor allen Dingen tätig in dem, was das Ursprüngliche ist, nämlich bei der Seele der Menschen zu sein, ihnen geistig zu helfen.“

Krieg verändere die Seele, weil auf einmal das Gewaltpotential das eigene Innere zu zerreißen drohe und der Riss durch die gesamte eigene Persönlichkeit gehe, so Overbeck. Es sei ein Paradox: „Eigentlich doch ein Mensch zu sein, der für den Frieden da ist und auch für den Frieden einsteht, und der plötzlich, um ihn zu wahren, das tun muss, was immer ein Übel ist, nämlich Gewalt anwenden, aber auch zu erleiden. Da gibt es dann zwei Möglichkeiten, die helfen, damit umzugehen. Das eine ist die Verteidigung der eigenen Persönlichkeit und das andere ist, sie als Ultima Ratio einzusetzen, wenn es nichts anderes mehr gibt. Um sowohl sich selbst zu schützen als auch andere. Wenn das zu einer Realität wird, ist das eine völlige Neuaufstellung der Person und Persönlichkeit. Es ist wie eine – höflich gesprochen – Einladung, die Persönlichkeit neu zu gestalten.“

Es sei sein großer Wunsch, dass die Akzeptanz des Dienstes der Soldatinnen und Soldaten in der Gesellschaf wachse, so Overbeck, „um sie so moralisch zu unterstützen und zu zeigen: Wir sitzen im selben Boot, um für den Frieden in einer so komplexen und komplizierten Welt das Wichtige und Nötige zu tun.“

(domradio 12.06.2015 mg)








All the contents on this site are copyrighted ©.