2015-06-09 12:55:00

G7: Weltgemeinschaft im Lernprozess?


Nach dem Gipfel ist vor dem nächsten: Während die Staats- und Regierungschefs der G7 wieder aus Elmau abgereist sind, haben sie der Welt Absichtserklärungen und Übereinkünfte hinterlassen, vor allem was Klimaschutz angeht, und zwar mit Blick auf den Klimagipfel im Herbst in Paris. Im Vorfeld hatte es viel Kritik gegeben, dass diese Großveranstaltungen nichts brächten und keine politischen Ziele erreichten. Kann man nach dem Gipfel nun sagen, dass das Treffen etwas gebracht hat? Ja, es hat. Das sagt Michael Reder, Professor für Völkerverständigung an der katholischen Hochschule für Philosophie in München, im Interview mit Radio Vatikan.

Reder: „Es ist wichtig, dass die Entscheider dieser Welt sich zusammen setzen und gemeinsam eine Richtung festlegen. Man sieht es an der Formulierung des Bekenntnisses zur Reduzierung von CO2-Emissionen und zu einer nachhaltigen Klimapolitik – das ist ein wichtiges Bekenntnis. Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass man nicht weiß, wie langfristig das ist. Die Entscheidungen werden woanders gefällt, bei der Klimakonferenz [in Paris im Dezember], und dann werden wir sehen, ob Länder wie Japan und die USA wirklich bereit sind, massiv zu reduzieren. Und wir werden sehen, wie Länder reagieren, die nicht mit am Tisch saßen.“

RV: Die G7 haben sich schon einmal zur Reduktion von Treibhausgasen verpflichtet, seitdem haben fünf der sieben Länder steigende Treibhausgaswerte zu verzeichnen. Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass solche Vereinbarungen nichts bringen?

Klima- und Armutspolitik sollten Hand in Hand gehen

Reder: „Das ist richtig, die Vereinbarungen der letzten Jahre wurden oft unterlaufen. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass die Weltgemeinschaft einen Lernprozess durchläuft. Es ist eine große Herausforderung, eine nachhaltige Klimapolitik zu stemmen, dazu braucht es jetzt Entscheidungen. Wichtig dabei ist, dass bestimmte Themen dabei noch stärker in den Blick kommen sollten, die Klimapolitik ist zu verzahnen mit einer Armutspolitik, eine Forderung, die oft von kirchlichen Akteuren kommt. Das ist etwas, was auf dem G7-Gipfel zu wenig diskutiert und zu wenig in die Abschlusserklärung eingeflossen ist.“

RV: Braucht es nicht auch so etwas wie einen Sanktionsmechanismus, so dass ein Land, das gegen selbst getroffene Abmachungen verstößt, auch Konsequenzen zu spüren bekommt?

Globale Probleme ohne Sanktionen nicht lösbar

Reder: „Da werden wir definitiv hinkommen müssen. Nur Selbstverpflichtungen werden die großen Probleme der Welt – weder das Klimaproblem noch das Armutsproblem – nicht lösen. Wir brauchen die Etablierung robuster Institutionen auf globaler Ebene, wo Länder, die gegen die Vereinbarungen verstoßen, mit Strafen belegt werden können. Natürlich bedeutet das, dass der Staat damit auch Souveränität abgibt und sich einer globalen Institution unterwirft. Das ist noch nicht die Entstehung eines Weltstaates oder einer Weltautorität, wie Papst Benedikt XVI. es genannt hat. Es ist allerdings ein Schritt dahin: der Aufbau einer globalen Institution, um die Probleme, die globaler Natur sind, dann auch angemessen bearbeiten und irgendwann einmal bewältigen zu können.“

RV: Der nächste Schritt ist das Treffen der UNO in New York, dabei geht es um die Nachfolger der Millenniumsziele, dann geht es nach Paris zum Klimagipfel, davor wird Papst Franziskus noch seine Enzyklika zum Thema Umwelt veröffentlichen. Das sind alles Texte und noch keine konkreten Schritte… Können die dazu beitragen, dass die Entscheider in der Wirtschaft sich daran gebunden fühlen?

Papst steht für möglichen Kulturwandel

Reder: „Ich würde unterscheiden zwischen Texten aus dem politischen Bereich, die können sehr wohl Einfluss nehmen auf die konkreten und oft kleinteiligen Verhandlungen für globale Verhandlungen, nach denen sich dann auch die großen transnationalen Konzerne richten müssen. Papst Franziskus wird mit seiner Umweltenzyklika eine andere Funktion haben. Es geht eher darum, ein neues Narrativ zu etablieren und eine Symbolfigur zu werden für einen Kulturwandel, der nicht nur das politische Feld betrifft, sondern Menschen weltweit mitnimmt. Eine Figur wie der Papst ist wichtig, um einen solchen Kulturwandel einzuleiten. Danach werden sich sicherlich nicht die transnationalen Unternehmen nach der Enzyklika richten, aber wenn sich ein solcher Kulturwandel, ein solcher Transformationsprozess einstellt, dann kann ein solcher Text sicherlich auch Einfluss nehmen. Zumindest würde ich mir das wünschen.“

 

(rv 09.06.2015 ord)








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