2015-06-06 09:59:00

Papstpredigt: „Nie wieder Krieg!"


Es war der spirituelle Höhepunkt der eintägigen Papstreise nach Sarajewo – die große Messe mit rund 60.000 Gläubigen im Kosevo-Stadion von Sarajevo. Papst Johannes Paul II. hatte dort bereits 1997 einen Gottesdienst gefeiert, als er das damals zerstörte Sarajevo besuchte. Unweit des Stadions, dieses Ortes der Begegnung und des fairen Wettkampfs, liegen die Gräberfelder der Bürgerkriegs-Toten und der Belagerung. „Nie wieder Krieg!“ war so auch Franziskus‘ eindringliche Botschaft in seiner Predigt. 

Der dritte Weltkrieg, die heutigen Krisen

„Frieden ist der Traum Gottes, Gottes Plan für die Menschheit“. Mit diesen Worten begann Papst Franziskus seine Predigt beim Hauptereignis der Papstreise, der Messfeier im Stadion von Sarajevo. Aber wie es immer ist mit den Plänen Gottes, er stoße auf Widerstand „von Seiten des Menschen oder von Seiten des Bösen“.

Das könne man ganz konkret heute erleben, so der Papst. „Es ist eine Art dritter Weltkrieg, der ‚stückweise‘ geführt wird; und im Bereich der globalen Kommunikation nimmt man ein Klima des Krieges wahr.“ Mit dem Begriff ‚Dritter Weltkrieg‘ bezieht sich der Papst immer wieder auf die Vielzahl von internationalen Konflikten und Kriegen wie im Irak, in Syrien und in Nordafrika. „Es gibt welche, die ein solches Klima absichtlich schaffen und schüren wollen, insbesondere jene, die den Zusammenstoß zwischen verschiedenen Kulturen und Zivilisationen suchen, und auch jene, die mit den Kriegen spekulieren, um Waffen zu verkaufen“, so der Papst. Die Kosten trügen Kinder, Frauen und alte Leute in Flüchtlingslagern. Krieg bedeute Vertreibungen, Zerstörung von Häusern und Städten, vor allem bedeute er „so viele zerbrochene Leben“. „Ihr kennt das zu gut, weil ihr es gerade hier erlebt habt: wie viel Leiden, wie viel Zerstörung, wie viel Schmerz! Heute, liebe Brüder und Schwestern, erhebt sich noch einmal aus dieser Stadt der Schrei des Volkes Gottes und aller Männer und Frauen guten Willens: Nie wieder Krieg!“

Frieden, Vereinigung, Versöhnung

Zeichen für Versöhnung gab es reichlich auch während der Messe: Eines dieser Zeichen war der Stuhl, auf dem der Papst saß, angefertigt von dem muslimischen Tischler Edin Hajdarovac. Es waren Verzierungen nach muslimischer, christlich-orthodoxer und katholischer Tradition eingearbeitet. Der Chor bei der Messe präsentierte auch die Nachbarländer: 1.650 Stimmen aus Kroatien, Bosnien und Serbien brachten die Länder zusammen, unter denen vor nicht allzu langer Zeit Krieg herrschte.

„Selig, die Frieden stiften“: dieses Zitat aus dem Evangelium bleibe angesichts der Erfahrungen in Bosnien und darüber hinaus für jede Generation gültig, so der Papst in seiner Predigt weiter. „(Jesus) sagt nicht: „Selig, die Frieden predigen“; denn alle sind fähig, ihn zu verkünden, auch in scheinheiliger oder sogar lügnerischer Weise. Nein. Er sagt: „Selig, die Frieden stiften“; das heißt, die ihn herstellen. Frieden herzustellen ist eine „handwerkliche“ Tätigkeit, die Leidenschaft, Geduld, Erfahrung und Ausdauer erfordert.“ Im Alltag entstehe der Frieden, in Gesten der Geschwisterlichkeit, des Dialoges und der Barmherzigkeit.

Gerechtigkeit als Grundlage

Grundlage für allen Frieden sei die Gerechtigkeit, so der Papst weiter, „Der Friede ist Werk der Gerechtigkeit. Auch hier gilt: Es ist nicht eine vorgetragene, theoretisch durchgespielte, geplante Gerechtigkeit, sondern eine praktizierte und gelebte Gerechtigkeit. Und das Neue Testament lehrt uns, dass die vollkommene Erfüllung der Gerechtigkeit darin besteht, den Nächsten zu lieben wie sich selbst“ (vgl. Mt 22,39; Röm 13,9)“. Das Befolgen dieses Gebotes ändere die Welt, so Papst Franziskus, weil der Handelnde sich ändere. Das habe auch der Apostel Paulus gemeint, der von Ertragen und Vergeben gesprochen habe. „Nun dürfen wir uns aber nicht einbilden, dass dies nur von uns abhängt! Wir würden einem trügerischen Moralismus verfallen. Der Friede ist Gabe Gottes, nicht im magischen Sinn, sondern weil er mit seinem Geist diese Haltungen in unsere Herzen und in unser Fleisch einprägen kann. Er kann uns zu wirklichen Werkzeugen seines Friedens machen.“

Er bete für die Gnade der Geduld, die Gnade für Gerechtigkeit zu kämpfen und die Gnade, barmherzig zu sein, so der Papst. „Das ist der Weg, der zum Glück führt, der selig macht.“

Wie geht es weiter?

Den Weg vom Staatspräsidium zum Stadion durch die Innenstadt hatte der Papst im offenen Papamobil zurückgelegt. An den Straßenrändern hatten sich nur vereinzelt Schaulustige versammelt. Im Anschluss an die Messe traf der Papst die sechs Bischöfe Bosnien-Herzegowinas zu einem „freien Meinungsaustausch“ in der Apostolischen Nuntiatur von Sarajevo. Die Einrichtung wurde 1992 errichtet, nachdem diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl aufgenommen worden waren. Am Nachmittag stehen für Franziskus Begegnungen mit weiteren Religionsvertretern und Jugendlichen auf dem Programm, die Rückkehr des Papstes in Rom ist für circa 21:30 Uhr geplant. 

(rv 06.06.2015 ord/pr)








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