Bosnien-Herzegowina ist die offene Wunde Europas, die dringend geheilt werden muss: Das sagt der Bischof von Banja Luka, Franjo Komarica. Die Erwartungen an den Papstbesuch nächsten Samstag sind hoch, vielleicht zu hoch; das sagte er am Dienstag im Gespräch mit Pia Dyckmans. Komarica lebt in der Serbischen Republik Bosnien - dem Landesteil, in dem es zu massiven ethnischen Säuberungen kam. Von den aus seinem Bistum vertriebenen Katholiken konnte bis heute kaum jemand zurückkehren; Komarica, der Banja Luka während des Krieges nicht verlassen wollte, stand dort zeitweise unter Hausarrest.
Bischof Franjo Komarica: „Das Land ist leider Gottes immer noch – zwanzig Jahre nach dem Krieg – in einer ziemlich großen Unordnung. Man wird nach wie vor von den internationalen Kräften geführt. Leider waren die internationalen Kräfte aber nicht genug geeint, und ihnen war auch nicht klar, was sie mit dem Land wollen. Der Großteil der Leute - nicht nur Katholiken, sondern auch Nicht-Katholiken - erwarten von einer so großen moralischen Autorität (wie dem Papst), dass er dem Land einen Schub nach vorne in Richtung Normalisierung gibt, für ein friedliches Zusammenleben unter den verschiedenen Volksgruppen hier. Papst Franziskus soll die Politiker – auch die Einheimischen – und auch die Bürger anspornen, entschlossener und gemeinsamer die eigene Zukunft und die Zukunft des Landes auszubauen. Ich glaube aber, dass die Erwartungen zu hoch sind: Der Papst ist auch begrenzt in seinen Möglichkeiten. Aber die Leute freuen sich einfach, dass so eine Person zu uns kommt. Die Grundatmosphäre hier ist gegenüber dem Papstbesuch sehr wohlwollend.“
RV: Sie sagten, dass die Erwartungen an den Besuch von Papst Franziskus teilweise zu hoch sind. Was können die Konsequenzen sein, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden?
FK: „Der Papst hat, ohne ihn unterschätzen zu wollen, keine Möglichkeit, die die Machthaber hier im Lande – also die internationalen Politiker – haben. Wir sind nur das Podium für das Auslagern der Differenzen unter den Großen. Und genau dafür setzt sich der Heilige Vater ein, für die Entrechteten. Desto wichtiger ist es, dass der Heilige Vater mit dem Finger zeigt, hier ist die offene Wunde am Leibe Europas, die blutet und gefährlich ist – sie ist eine vergiftete Wunde! Diese Wunde muss richtig geheilt werden! Wenn dass der Heilige Vater sagt mit einer so großen Solidarität - das klingt ganz anders, als wenn ich das sagen würde. Wer bin ich? Aber da müssen wir auch, wie der heilige Papst Johannes Paul II. in Sarajewo gesagt hat, unerschrocken das Recht und die Wahrheit verteidigen und alle schmutzigen Spiele entlarven und uns von keiner weltlichen Macht ängstigen lassen. Das ist hier unsere Aufgabe.“
RV: Was versprechen Sie sich persönlich von dem Papst-Besuch?
FK: „Meine Situation ist wirklich eine besonders desolate Situation, weil 94 Prozent meiner Gläubigen immer noch außerhalb der Diözese sind. Sie sind vertrieben worden, und in den zwanzig Jahren gab es für sie keine Möglichkeit, zurückzukehren - das ist furchtbar. Viele, die hier geblieben sind, hoffen dementsprechend auf eine stärkere Unterstützung, eine nicht nur seelisch-moralische Unterstützung ihres Vorhabens, hier friedlich weiterwirken zu können. Wir haben das schon während des Kriegs versucht und Versöhnung praktiziert; nicht nur gepredigt, sondern praktiziert!“
RV: Der serbische Teil Bosniens ist gewissermaßen eine Peripherie, wie Franziskus sie ja nach eigenen Angaben immer erreichen will. Warum besucht er diesen serbischen Teil nicht?
FK: „Franziskus kommt nur in die Hauptstadt Sarajewo, weil er nur einen Tag hier ist, und es ist selbstverständlich, dass er dort ist. Nicht nur deswegen, sondern auch weil dort die muslimische Mehrheit ist. Ich glaube, dass der Heilige Vater sicher auch vorhat, zu zeigen, dass das Christentum gemeinsam mit den muslimischen Mitbürgern auch eine gemeinsame Sprache finden sollte. Der Islam wird hier auf dem Balkan immer präsenter. Besonders die Türken machen sich hier immer präsenter, der Präsident der Türkei kommt nach Bosnien wie in eine westliche Provinz der Türkei, so benimmt er sich hier. Er sagt auch, dass die osmanischen Zeiten hier wiederholt werden müssen. Sie wissen, wie waren 400 Jahre unter dem Osmanischen Reich! Der Islam verbreitet sich auf dem Balkan immer mehr, das ist ein Faktum. Wir sollten den Islam nicht als Feind betrachten, sondern als unseren Nachbarn. Wir wollen mit ihnen hier gemeinsam eine bessere Zukunft für unser Land aufbauen. Das ist unsere Aufgabe, davor dürfen wir nicht zurückschrecken! Deswegen ist uns der Besuch von Papst Franziskus so wichtig, damit auch unsere Nachbarn sehen, dass wir nicht alleine sind. Mit uns steht die gesamte katholische Kirche, auch das Oberhaupt, und Christus ist mit uns.“
(rv 02.06.2015 pdy)
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