2015-05-23 12:02:00

Nationalismus-Trend: Auch Religion muss „chinesisch“ sein


Von einer strikten Kontrolle der Religionsgemeinschaften im Land wird das chinesische Regime nicht so bald abrücken – eine Änderung der religionspolitischen Linie ist vorerst nicht in Sicht. So kommentiert Katharina Wenzel-Teuber vom China-Zentrum Sankt Augustin den aktuellen Kurs im Reich der Mitte unter Präsident XI Jingping, der etwa zeitgleich mit Papst Franziskus sein Amt antrat. Xi hatte in diesen Tagen auf einer Konferenz für nicht-kommunistischen Parteien in Peking erneut unterstrichen, Religionsgemeinschaften in China müssten „chinesisch“ sein und dürften keinerlei „ausländischem Einfluss“ unterliegen. Im Interview mit Radio Vatikan wertet Wenzel-Teuber solche Aussagen vor Hintergrund einer allgemeinen Rückbesinnung auf die nationale chinesische Identität.

„Nicht nur im Bereich der Religionen wird in letzter Zeit das Chinesische und das Chinesisch-Sein wieder mehr betont. Die Regierungsdevise von Präsident Xi ist ja der chinesische Traum vom Wiedererstarken der Nation. Das spiegelt ein neues chinesisches Selbstbewusstsein wieder. Und dazu gehören eben auch ein verstärkter Rückgriff und eine Einforderung von chinesischen Traditionen. Gleichzeitig wird in letzter Zeit immer wieder vor ausländischer Infiltration gewarnt, und das nicht nur im Bereich der Religion, sondern auch im Bereich von Erziehung und Universitäten und im Bereich von NGOs. Das ist wohl eine Konstante in der chinesischen Religionspolitik, die jetzt wieder deutlicher in den Vordergrund tritt – man möchte eben nicht, dass über Religionen ausländischer Einfluss ins Land kommt.“

„Eher keine Lockerung“ in der Religionspolitik

Ablesen ließe sich das unter anderem an einer stärkeren Gängelung von Religionsgemeinschaften und anderer Organisationen durch die Behörden, so Wenzel Teuber. Die Regierung versuche etwa, religiöse Gruppen und ihre Aktivitäten durch Rechtsvorschriften besser zu kontrollieren: „Also zum Beispiel im Bereich der Finanzen und bei der Kontoführung – da gibt es immer neue Vorschriften. Und da werden die Regeln eher enger gesteckt. Das ist übrigens eine Sache, die wir nicht nur im Bereich der Religionen, sondern überhaupt im zivilgesellschaftlichen Bereich beobachten.“

Als weiteres Beispiel dafür nennt Wenzel-Teuber die Entfernung hunderter Kirchturmkreuze durch die Behörden in der Christenhochburg Zhejiang, einer Provinz im Südosten Chinas. Das Vorgehen war offiziell mit einem landesweiten Programm zur Bekämpfung illegal errichteter Bauwerke begründet worden. Der tiefere Grund sei jedoch ein anderer gewesen, so Wenzel-Teuber: „Da war vor allem die evangelische Kirche betroffen, aber auch katholische Kirchen. Und da scheint es darum gegangen zu sein, die Sichtbarkeit des Christentums zu reduzieren.“

Während China sich wirtschaftlich und kulturell der Welt geöffnet hat, will Peking den Einfluss des Westens im eigenen Land derzeit „in manchen Bereichen offensichtlich wieder bremsen“, fasst Wenzel-Teuber zusammen. Dazu gehörten eben auch das Christentum und allgemein westliche Überzeugungen: „Es gibt viele Dokumente und Aussagen, die darauf hinweisen, dass zum Beispiel an Schulen und Universitäten westliche Werte nicht mehr gelehrt werden sollen, weil man die als etwas Fremdartiges und Bedrohliches empfindet.“

Neben den Formen der Kontrolle registrierter Religionsgemeinschaft gebe es zudem nach wie vor zwiespältige Meldungen über den Umgang der Behörden mit so genannten „Untergrundchristen“, also Gläubigen, die sich einem patriotischen Bekenntnis zu der vom Staat abgesegneten Religion entziehen. Solche Vorfälle könne man zu den „schwierigen Kapiteln“ in der chinesischen Religionspolitik zählen, so Wenzel-Teuber: „Beunruhigend war im vergangenen Januar die widersprüchlichen Aussagen der Behörden zum Tod von Bischof Cosmas Shi Enxiang, das ist also ein Bischof im Untergrund der Diözese Yixian, der 2001 verhaftet wurde und seither nicht mehr gesehen worden ist, von dem man jetzt also gar nicht weiß, ob er nun gestorben ist oder nicht.“ Der papsttreue Shi Enxiang hatte 54 seiner 93 Lebensjahre in kommunistischer Gefangenschaft verbracht. Im Januar hatte sich die Nachricht von seinem Tod verbreitet, woraufhin die chinesischen Behörden dementierten – wohl aus Sorge, bei einem Begräbnis könne es zu Kundgebungen kommen.

„Zumindest kein Konfrontationskurs“

Als „fremden Einfluss“ sieht die chinesische Führung bis heute auch den Heiligen Stuhl. Das Ringen um die Ernennung von Bischöfen für China werde wohl weiterhin ein „Knackpunkt“ im Verhältnis bleiben, prognostiziert Wenzel-Teuber. Immerhin habe es auf chinesischer Seite seit Franziskus’ Amtsantritt schon „kleine Anzeichen“ der Entspannung gegeben: „Zum Beispiel dass der Papst schon mehrfach die Überflugerlaubnis von China erteilt bekommen hat. Und es soll ja auch, wie Medien berichten, seit Mitte letzten Jahres Gespräche zwischen beiden Seiten geben.“ Dass Franziskus „immer wieder seine Offenheit für Verbesserungen der Beziehungen signalisiert“ habe, habe sich hier wohl positiv ausgewirkt, vermutet die Expertin. Und sie nennt ein weiteres Beispiel dafür, welches dafür sprechen könnte, dass man mit Rom derzeit zumindest keinen offenen Konflikt sucht: „Im April diesen Jahres wurden in der Provinz Henan zwei Bischöfe gewählt, und zwar nach von der chinesischen Seite offiziell vorgeschriebenen Verfahren. Aber diese Bischöfe waren vorher vom Vatikan schon ernannt worden. Das heißt, diese zwei Bischofswahlen wären vielleicht ein Zeichen dafür, dass in der Frage der Bischofsernennungen im Moment zumindest kein Konfrontationskurs herrscht.“

Bald neue Regeln für die Religion?

Das katholische Leben in China sei „weiter intensiv“, berichtet Wenzel-Teuber weiter. Überhaupt würden der Glaubenspraxis der offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften nicht grundsätzlich Steine in den Weg gelegt: „Die Gemeinden können im Großen und Ganzen ihre Programme, ihr Glaubensleben so weiterführen wie gewohnt, sie haben Evangelisierungsprogramme, Jugendarbeit, Sozialarbeit usw.“

Präsident Xi hatte in seiner Ansprache auf der oben genannten Konferenz in Peking dann auch anerkannt, dass immer mehr Menschen in dem Land heute von Religion beeinflusst sind – vor dem großen Interesse, ja gar dem Zulauf zur Religion in China kann auch er die Augen nicht verschließen. Ob sich das irgendwann einmal in Lockerungen in der Religionspolitik niederschlagen wird, steht allerdings in den Sternen. Immerhin habe das chinesische Religionsministerium jüngst angekündigt, die inzwischen veralteten Vorschriften für religiöse Angelegenheiten, die unter anderem auch die religiöse Betätigung von Ausländern in China regeln, überarbeiten zu wollen, so Wenzel-Teuber.

Den stärksten religiösen Zuwachs verzeichneten in China nach wie vor protestantische Gruppen. Doch auch im katholischen Bereich seien viele Gemeinden „sehr aktiv in der Evangelisierung“: „Und ich konnte auch selbst schon erleben, dass da eine ausgesprochene Willkommenskultur herrscht in den Gottesdiensten, dass Leute, die zum ersten Mal dazukommen, begrüßt werden. Etliche Großstadtgemeinden haben mehrmals jährlich Taufvorbereitungskurse, an denen unzählige Erwachsene teilnehmen.“ Andererseits verliere die katholische Kirche aber auch wiederum Gläubige durch Urbanisierungs- und Migrationsprozesse, ergänzt sie: „Wenn aus den katholischen dörflichen Gemeinden Mitglieder in die doch anonymeren Großstädte ziehen, werden manche auch den Kontakt zur Kirche wiederum verlieren. Also es ist ein Geben und Nehmen, aber es gibt immer noch ein großes Interesse am Christentum.“ Am Christentum und insgesamt am religiösen Bereich, so auch etwa am Buddhismus.

Und wie sehen gläubige Chinesen selbst ihre religiöse Zugehörigkeit? Nehmen die Katholiken es etwa als Widerspruch wahr, chinesisch zu sein und zugleich einer Religion anzugehören, deren Zentrum und Oberhaupt – der Papst – im fernen Vatikan sitzt? Eigentlich nicht, beobachtet Wenzel-Teuber. „Insgesamt glaube ich, dass die Katholiken in China, so wie ich sie kennengelernt habe, durchaus chinesisch sein wollen, sie sind stolz auf ihre Kultur und ihr Land, aber gleichzeitig verstehen sie sich und ihren Glauben auch als universal. Es ist einfach zu hoffen, dass die Regierung erkennt, dass das kein Widerspruch sein muss.“

 

An diesem Sonntag ist die Kirche zum Gebet besonders für China eingeladen, der Gebetstag war 2007 von Papst Benedikt XVI. eingeführt worden und fand 2008 das erste Mal statt.

 

(rv 23.05.2015 pr)








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