2015-05-20 17:32:00

Republik Moldau: Gespaltene Migrations-Gesellschaft


Zwischen Bankenskandal und der Ukraine-Krise: Die Gesellschaft der jungen Republik Moldau ringt mit sich selbst und ist gespalten. Der Kampf für menschenwürdige Arbeit sei hart und lang, vor allem in einem Land, wo Migration die einzige Lösung für sichere Geldquellen scheint, berichten Experten im Gespräch mit Radio Vatikan.

Selten, äußerst selten berichten Medien von der Republik Moldau. Der erst 1991 gegründete Staat der ehemaligen Sowjetrepublik liegt auf der Landkarte neben Rumänien, eingezäunt von der Krisen-Region Ukraine. Auf dem Index für menschliche Entwicklung 2014 (Human Development) liegt das Land aber zwischen Bolivien und El Salvador, auf Platz 114 von 187 aufgelisteten Ländern weltweit. Somit gilt das Land als eines der ärmsten von Europa. Hauptgrund dafür ist laut der Expertin für Sozial- und Genderfragen Valentina Bodrug-Lungu, die an der Universität in Chisinau lehrt, der geringe Monatsdurchschnittslohn, der nicht nur niedrig, sondern auch ungleich verteilt ist. Das Einkommen der Menschen ist vergleichbar mit dem Einkommen von Dritte-Welt Ländern.

„Die Geschichte der Republik Moldau mit all ihrer Migration könnte als Beispiel dienen für jedes Land. Man sollte nicht nur nach Wohlstand oder Erfolg trachten. Eine Regierung sollte sich dessen bewusst sein, dass es ein Volk hat, für dass es auch Verantwortung trägt.“

Bodrug-Lungu spielt auf den aktuellen Bankenskandal an und den Verlust von rund 900 Millionen Euro. Erst vergangenes Wochenende protestierten Tausende in der Hauptstadt Chisinau gegen die Korruption, geben der pro-europäische Regierung im Land die Schuld an dem so wie sie es nennen, „Jahrhundertraub“. Das trifft die Steuerzahler, die ohnehin wenige sind. Von den knapp drei Millionen Einwohnern leben und arbeiten rund 20 Prozent der Bevölkerung derzeit im Ausland.

„Praktisch gesehen, gibt es in jeder Familie in der Republik Moldau mindestens eine Person die emigriert ist, oder im Ausland arbeitet“, erklärt Sergiu Iurcu der beim moldauischen Gewerkschaftsbund tätig ist.

„Wenn dir das Land nicht die Möglichkeiten bietet, dann musst du auswandern” ist also die Devise. Diese starken Migrationsbewegungen des Landes sind keine Neuigkeit. Bereits seit 1999 gibt es zwei große Migrationsströme: eine in Richtung der GUS Länder (Russische Föderation) und die andere in Richtung Europäische Union (Italien, Portugal, Rumänien, Spanien und Frankreich) und die unterschiedlichen Migrationsströme beeinflussen auch die Gesellschaft, erklärt Bodrug-Lungu.

„Die Gesellschaft ist gespalten. Ein Hälfte blickt in Richtung Russland und eine Hälfte in Richtung Europäische Union. Durch diesen aktuellen Korruptionsfall finden sich jetzt wieder viele in einer Zwischenphase und sie fragen sich, würde uns die EU helfen in diesem Fall, oder nicht? Und sie sind unentschlossen.“

Die unklare politische und wirtschaftliche Situation der Republik fördert die Migration. Seit dem Zerfall der Sowjetunion verlassen die Moldauer das Land. Ob Arbeitsemigration oder Heiratsmigration, es gibt alle Varianten, erklärt die Professorin. Die Migration der Menschen sei aber ein Teufelskreis. Sie hinterlasse viele Waisen, sogenannte Sozialwaisen, denn Vater und Mutter im Ausland leben. Die übergebliebenen im Land leben von den Auslandsüberweisungen, das fördert die Jugendarbeitslosigkeit und die niedrigen Lebensstandard. 

Der Migrationsdruck führt auch zu Menschenhandel. Frauen und Kinder werden im Falle der Zwangsmigration zu Opfer von Gewalt und Ausbeutung. Laut einem Bericht der Konrad Adenauer Stiftung verkaufen viele Moldauer auch ihre Organe, denn das sei ihr einziges Gut. Für eine Niere bekämen sie ca. 1.000 bis 3.000 Euro. Illegalität wird auch groß geschrieben bei der Auswanderung. Schätzungen nach waren bis zu 95 Prozent der Moldauer illegal im Ausland zum Arbeiten und somit rechtelos. Die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsschreiben im Juni 2014 habe das aber verändert und verbessert, erklärt die moldauische Professorin.

Die Konsequenzen der vergangenen illegalen Auswanderung sind jedoch nicht einschätzbar. Es gibt zum Beispiel keine Angaben, wie viele Kinder illegaler moldauischer Migranten in den Zielländer nicht zur Schule gehen, weil sie Angst haben ausgewiesen zu werden. Das wiederum schadet den nationalen Arbeitsmärkten und kann Schäden im ganzen Sozial- und Wirtschaftssystem verursachen.

Die Expertin für Sozial- und Genderfragen hofft dennoch auf eine stärkere Zivilgesellschaft. Denn davon hänge im Prinzip die Zukunft ab. Europa soll nun die Förderungen des Landes nicht einfrieren, sondern bessere Möglichkeiten finden, die Staatskasse zu bewachen.

„Wissen Sie, ich bin Professorin an der Uni und ich sage meinen Studenten immer, die Veränderung beginnt bei uns. Und wir müssen zuerst bei uns anfangen, damit die Welt verändert werden kann. Ich versuche die Studenten dafür zu sensibilisieren, dass sie sich bemühen müssen, dass sie nicht nur eine Arbeit bekommen, sondern auch Arbeitsplätze schaffen.“

 

Im Rahmen des Projektes der NGO Südwind „Menschenwürdige Arbeit für menschenwürdiges Leben“ hatte Radio-Vatikan die Gelegenheit den Experten über die aktuellen Situation zu sprechen.

 

(rv 18.05.2015 no)








All the contents on this site are copyrighted ©.