2015-05-14 11:04:00

Kardinal Turkson: „Wir brauchen fundamentalen Kurswechsel“


Die Menschheit steht an einem Wendepunkt der Geschichte, die technischen Errungenschaften bieten unglaublich viele Möglichkeiten, gleichzeitig verändern sie in nie dagewesenem Maß das Leben auf dem Planeten. Mit diesen Gedanken leitete Kardinal Peter Turkson, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, sein Referat bei der Generalversammlung von Caritas Internationalis ein. Die Vereinigung der katholischen Wohlfahrtsverbände tagt in dieser Woche zum Thema „Eine Menschheitsfamilie. Die Schöpfung bewahren.“

Turkson zitierte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon: Wir seien die erste Generation, die Armut abschaffen könne und die letzte, die noch etwas gegen die verheerenden Wirkungen des Klimawandels tun könne. Daran würde die jetzige Generation gemessen werden.

Drei Milliarden von den sieben Milliarden der Erdbevölkerung lebten in Armut, ein Drittel von ihnen in extremer Armut, während die privilegierte Schicht von einer Milliarde Menschen den Großteil der Ressourcen der Welt unter sich verteile. Gleichzeitig würden etwa ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen, wie die UNO errechnet habe. „Gleichgültigkeit, missbräuchliches Verwenden von Gütern und die Wegwerf-Kultur betreffen aber ebenso die Art und Weise, wie wir mit der Umwelt umgehen, dem Planeten Erde, dem Garten, der uns als Zuhause gegeben wurde,“ weitete Turkson das Thema in Richtung Ökologie aus. „Menschen sind Teil der Natur. Aber heute zerstört das immer weitere Zunehmen des Verbrennens von fossilen Stoffen das delikate ökologische Gleichgewicht in unermesslichem Umfang.“ Turkson bezog sich auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel, schon damals seien „Stolz, Übermut, Selbstbezogenheit“ die Gründe für die Vertreibung aus dem Garten gewesen.

„Wir brauchen ganz klar einen fundamentalen Kurswechsel“, so Turkson. Dieser Gedanke beginne bei der Frage nach der Würde. Jedem Lebewesen komme Würde zu, weil alles von Gott geschaffen sei und deswegen sei es „gut, kostbar und wertvoll“. „Jeder Mensch und jede Gemeinschaft hat eine heilige Pflicht die Güter der Erde klug, respektvoll und dankbar zu nutzen und für die Welt zu sorgen, so dass sie auch zukünftigen Generationen Früchte bringen kann.“ Damit einher gehe die Verantwortung, mit den Armen und denen, die nichts haben, zu teilen.

Um nicht missverstanden zu werden betonte Turkson, dass es selbstverständlich nicht verboten sei, die Erde zu nutzen. „Aber gleichzeitig ist das gegenwärtige ökonomische Entwicklungsmodell aus dem Gleichgewicht geraten. Wir müssen lernen, zusammenzuarbeiten für eine nachhaltige Entwicklung in einem Beziehungsrahmen, der ökonomischen Wohlstand mit sozialer Inklusion und dem Schutz der natürlichen Welt verbindet.“

Kardinal Turkson lobte die Weise, wie Papst Franziskus an diese Fragen heran gehe; die Umwelt-Enzyklika des Papstes wird demnächst veröffentlicht. Franziskus spreche nicht die Sprache von Pflicht, sondern die von Sinn und Bedeutung, hob Turkson hervor. Es gehe dem Papst nicht um individuelle Rechte und freien Markt, sondern um die Würde jedes Einzelnen. Nur von innen heraus, beginnend bei der Würde, sei der Wandel erreichbar, der nötig ist für die notwendigen Schritte. „Ohne moralische Bekehrung und einen Wandel der Herzen sind gute Regulierungen, strategische politische Überlegungen und selbst Zielvorstellungen nicht effektiv. Ohne ethische Grundlage hat die Menschheit nicht den Mut und die moralische Substanz, selbst die sinnvollsten politischen Projekte umzusetzen. .. Wenn der bestimmende Ethos der des Egoismus und Individualismus ist, dann wird nachhaltige Entwicklung nicht gelingen. Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit braucht die Offenheit für Gerechtigkeit und Verantwortung, zu neuen Wegen der Solidarität.“

Ein besonderer Blick gelte den Armen der Welt, die besonders hart von den sich wandelnden Umweltbedingungen betroffen seien. Die wohlhabenden Länder hätten die moralische Pflicht, nach Lösungen für die Probleme des Klimawandels zu suchen, so Turkson. „Sie sind verpflichtet sowohl ihre eigene Luftverschmutzung zu reduzieren, als auch dazu ärmeren Ländern zu helfen, sich vor den Desastern zu schützen, die durch die exzessive Industrialisierung verursacht wurden. Diese moralische Verpflichtung betrifft alle, die Politik, die Wirtschaft, die Gesellschaft und jeden einzelnen.“

Die Kirche sei keine Expertin für Wissenschaft, Technik oder Wirtschaft, aber sie sei eine Expertin in Menschlichkeit, so der Kardinal. Sie lese die „Zeichen der Zeit“ und erkenne, dass die Menschheit an einem Schlüsselmoment angekommen sei. „In diesem September wird Papst Franziskus vor den Vereinten Nationen über die Ziele nachhaltiger Entwicklung sprechen“, kündigte er an. Es sei die Aufgabe der Kirche, an das moralische Gewissen zur appellieren und in Erinnerung zu rufen, dass die Welt nicht nur auf materiellen Gütern errichtet sei. „Lassen Sie uns die Tugenden des Sorgens und der Solidarität übernehmen. Ohne sich um die Welt zu sorgen, wird der Planet immer weniger bewohnbar. Ohne Solidarität wird die Gier immer mehr Zerstörung anrichten. Aber mit der Sorge und der Solidarität werden wir gemeinsam mehr Nachhaltigkeit und größere Sicherheit erreichen. Dann können wir uns realistisch auf einen bewohnbaren Planeten verlassen, der jede Frau, jeden Mann und jedes Kind ernähren kann, in jedem Land und in jeder Generation.“

 

(rv 14.05.2015 ord)








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