2015-04-20 15:03:00

Palästina: Das Undenkbare denken, um Frieden zu schaffen


Das Volk von Palästina müsse lernen, das Undenkbare zu denken, um Frieden zu schaffen. Das sagte der palästinensische Theologe und evangelisch-lutherische Pfarrer der Weihnachtskirche in Bethlehem, Mitri Raheb, bei einer Lesung in Wien. Er verglich die Geschichte des palästinensischen Volks, das die meiste Zeit seiner Existenz unter Besatzung verbracht hat, mit der Geschichte von Jesus und seinen Mitmenschen, wie sie in der Bibel erzählt wird. „Palästinenser machen heute die gleichen Erfahrungen wie die Menschen in der Bibel. Denn sie werden genauso von einer externen imperialen Macht unterdrückt", so Raheb.

Das palästinensische Volk müsse angesichts der mangelnden internationalen Unterstützung endlich selbst das Heft des Handels in die Hand nehmen, so Raheb. „Hoffnung ist nicht das, was wir sehen, sondern das, was wir tun", deswegen müsse man endlich den Mut fassen, selbst aktiv zu werden. Das Volk von Palästina brauche regionale Visionen, um im euromediterranen Raum seine Rolle zu finden. Dies klinge zwar realitätsfern, sei aber der einzige Weg.

Raheb, der in Bethlehem gegenüber jenem Platz aufwuchs, an dem laut Bibel Jesus geboren wurde, versuchte eine differenzierte Sicht auf die Situation in seinem Heimatland zu geben. „Leuten, die mich aufgrund meiner Herkunft beneiden, sage ich, dass Palästina kein Wohnort ist, um den man beneidet werden sollte." Vielmehr sei Palästina als besetztes Land vollkommen der Willkür seiner israelischen Besatzer ausgeliefert. Das Leben in solch einem Land sei mühsam, die Menschen leiden unter der Situation und verlieren mit der Zeit immer mehr die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Er selbst habe sein ganzes Leben unter Besatzung verbracht.

Viele Pilger im Heiligen Land erkennten den wahren Wert ihrer Reise gar nicht, beklagte Raheb. „Die Menschen latschen von Steinhaufen zu Steinhaufen in der Hoffnung, hier Gott zu finden. Dabei ist Gott in seinem Volk. Für ein Gespräch mit den Menschen vor Ort nehmen sich jedoch die wenigsten Pilger Zeit."

Mitri Raheb wurde 1962 in Bethlehem geboren und studierte evangelische Theologie am Missionsseminar Hermannsburg und an der Philipps-Universität Marburg. Dort erwarb er den Doktor der Theologie mit einer kirchenhistorischen Arbeit über die evangelisch-lutherische Kirche in Palästina. Er wurde 2008 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet und gehört zu den Unterzeichnern des Kairos-Palästina Dokuments von 2009. Dieses stellt einen Aufruf der palästinensischen Christen dar, der die Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten zum Thema hat.

Raheb las im Wiener Albert Schweitzer Haus aus seinem neuen Buch mit dem Titel „Glaube unter imperialer Macht: Eine palästinensische Theologie der Hoffnung". Veranstaltet wurde die Lesung von der Evangelischen Akademie in Kooperation mit Pax Christi, dem Internationalen Versöhnungsbund und weiteren christlichen Organisationen.

 

(kap 20.04.2015 gs)








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