2015-04-10 13:10:00

D: Theologische Debatte um Lebenswirklichkeit und Glaubenssinn


In der katholischen Ortskirche in Deutschland regt sich Kritik an Äußerungen des Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation über die Basis theologischen Nachdenkens. Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller hatte sich zu Ostern in einem Interview der in Würzburg erscheinenden „Tagespost" gegen Überlegungen gewandt, den katholischen Offenbarungsbegriff theologisch zu erweitern. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, befürchtet eine zunehmende Polarisierung zwischen dem Lehramt und dem „Glaubenssinn der Gläubigen", wie er dem „Münchner Merkur" (Freitag) sagte. Der Münchner Dogmatiker und Priester Bertram Stubenrauch erinnerte an selber Stelle daran, dass Offenbarung eine dialogische Wirklichkeit sei: „Das Wort Gottes findet Antwort im Nachdenken der Glaubenden, was immer aus einer bestimmten Lebenssituation heraus geschieht."

 

Müller hatte in dem Interview unter anderem gesagt, ein soziologischer Begriff wie „Lebenswirklichkeit" könne kein Urteilsmaßstab für die Offenbarung sein. Ebenso werde „der Boden katholischer Theologie verlassen", wo „rein menschliche Überlegungen oder die Macht des Faktischen gleichwertig neben Schrift und Tradition gestellt werden".

 

Bei der Bischofsvollversammlung in Hildesheim Ende Februar hatte unter anderem der Vorsitzende der Pastoralkommission der Bischofskonferenz, Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode, mit Blick auf die bevorstehende Synode betont, katholische Lehre und Leben dürften nicht isoliert voneinander gesehen werden. Eine historisch wichtige Grundfrage der Synode sei es, ob die Realität der Menschen eine Quelle für die Lehre der Kirche sein müsse.

 

Kardinal Müller hatte gegenüber der „Tagespost" vor Missverständnissen im Zusammenhang mit dem sogenannten Glaubenssinn der Gläubigen gewarnt. Dieser sei keine Quelle der Offenbarung, sondern diene dazu, das Wort Gottes „von den vielen Worten und Meinungen der Menschen" zu unterscheiden. „Der Glaubenssinn des Volkes Gottes hat daher nichts mit Umfrageergebnissen zu tun oder einem Plebiszit, mit dem die 'Basis' der dem Leben entrückten 'Hierarchie' endlich einmal die Augen öffnen könnte."

 

Stubenrauch verwies jetzt darauf, dass Dogmen nicht als ausgefeilte Glaubenssätze vom Himmel gefallen seien. Vielmehr seien sie das Produkt kirchlicher Diskussionen, in denen sich immer auch Lebens- und Denkweisen der jeweiligen Zeit spiegelten. Wer den Glaubenssinn der Getauften „auf bloßen passiven Gehorsam gegenüber amtlichen Verlautbarungen reduziert, missachtet die geistliche Kompetenz des Gottesvolkes". Die Dogmatik dürfe auch nicht die Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes verdunkeln. Es müsse erlaubt sein zu fragen, wie viel an Lehre notwendig sei, um etwa die Ehe als Ideal zu schützen.

 

Alois Glück appellierte an alle Beteiligten, bei den notwendigen Auseinandersetzungen respektvoll aufeinander zu hören. „Die Kirche braucht dieses Ringen um den richtigen Weg." Dabei dürfe aber nichts von vornherein tabuisiert werden. Im Zusammenhang mit der Debatte um die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion verwahrte sich der ZdK-Präsident gegen die Unterstellung, Befürworter einer solchen Lösung stellten die Unauflöslichkeit der Ehe infrage. Es wäre schlimm, wenn es auf der Synode zu einem Machtkampf und zu wechselseitigen Unterstellungen käme, betonte er.

 

Für Stubenrauch gehört es „unbestritten" zu den Aufgaben des Präfekten der Glaubenskongregation, an die Lehre der Gesamtkirche zu erinnern. Aber man müsse Phasen der Diskussion von „Akten amtlicher Festschreibungen" unterscheiden. In der Diskussion seien unterschiedliche Meinungen von Ortskirchen notwendig. Zugleich dürfe nicht vergessen werden: „Auch die Verantwortlichen für das universalkirchliche Lehramt urteilen aus bestimmten theologischen Prägungen heraus und haben kein unvermitteltes Wissen um die göttliche Wahrheit."

(kna 10.04.2015 gs)








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