2015-04-02 15:54:00

Kardinal Müller: Lebenswirklichkeit ist keine Offenbarungsquelle


Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller hat sich gegen Überlegungen gewandt, den katholischen Offenbarungsbegriff theologisch zu erweitern. „Lebenswirklichkeit“ sei etwa ein soziologischer Begriff, der kein Urteilsmaßstab für die Offenbarung sein könne, sagte Müller der Würzburger Zeitung „Tagespost“ (Samstag). Ebenso sei „der Boden  katholischer Theologie verlassen“, wo „rein menschliche Überlegungen oder die Macht des Faktischen gleichwertig neben Schrift und Tradition gestellt werden“. So könne man „die frivole Lebenswirklichkeit eines Ausbeuters, Drogenhändlers oder Kriegsgewinnlers“ nicht als „unabänderliches Faktum ansehen, an das sich die moralischen Grundsätze anzupassen haben“.

Der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation warnte auch vor Missverständnissen im Zusammenhang mit dem sogenannten Glaubenssinn der Gläubigen. Dieser sei ebenfalls keine Quelle der Offenbarung, sondern diene dazu, das Wort Gottes „von den vielen Worten und Meinungen der Menschen“ zu unterscheiden. „Der Glaubenssinn des Volkes Gottes hat daher nichts mit Umfrageergebnissen zu tun oder einem Plebiszit, mit dem die 'Basis' der dem Leben entrückten 'Hierarchie' endlich einmal die Augen öffnen könnte.“

Im Übrigen hätten auch Kardinäle und Bischöfe der römischen Kurie „Brüder und Schwestern, Neffen und Nichten, sie sprechen mit den Taxifahrern, gehen zum Friseur und wissen, wie man sich in den sozialen Netzwerken bewegt“. Mit Blick auf den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen kritisierte Müller erneut ein aus seiner Sicht falsches Verständnis von Barmherzigkeit. „Die Liebe lässt Gott und auch uns Menschen Mitleid haben mit einem verlassenen oder verratenen Ehepartner, mit den Kindern, die zu Scheidungswaisen wurden, und mit all der Tragik, die mit einer zerbrochenen Familie verbunden ist“, sagte Müller. Kraft seiner barmherzigen Liebe vergebe Gott dem Sünder, „der bereut und umkehrt“. Aber niemand habe ihm, Müller, bisher überzeugend nachweisen können, „dass eine zweite eheähnliche Verbindung nicht gegen den Willen des Herrn steht, solange der legitime Ehepartner lebt“.

Wer ihn um Auskunft bitte, dem zeige er „lieber den steilen Weg, der zum Ziel führt, als den breiten Weg, der jedoch letztlich in der Sackgasse endet“, erklärte der Kardinal. Dabei sei es natürlich wichtig, sich Menschen in schwierigen Situationen liebevoll zuzuwenden und sie in kirchliche Gruppen zu integrieren.

Müller sprach sich abermals gegen Sonderwege einzelner Ortskirchen aus. „Es ist klar, dass die pastorale und sakramentale Praxis eines Landes nicht der Wahrheit des Glaubens widersprechen darf“, betonte er. Auch könnten die Glaubenslehre und die Gebote Gottes nicht aufgrund nationaler Unterschiede variieren.

(kna 02.04.2015 gs)








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