2015-03-30 11:27:00

Ökumenische Premiere: Papst und die Waldenser


Ende Juni wird es in Turin zu einer ökumenischen Premiere kommen: Papst Franziskus wird eine Waldenserkirche besuchen. Die Waldenser sind heute eine reformiert-protestantische Kirche, gehen aber auf eine Laiengemeinschaft zurück, die der französische Kaufmann Pierre Valdès (+1206) im Mittelalter gründete – und die von der katholischen Kirche damals erbittert bekämpft wurde. Der Turiner Eugenio Bernardini ist sogenannter „Moderatore della tavola valdese“, also Leiter des Führungsgremiums der Kirche. Er erzählte uns an diesem Montag, wie es zum Papstbesuch in seinem „tempio valdese“ kommt.

„Am Anfang stand, dass sich dieser Papst vor zwei Jahren bei seinem Amtsantritt Franziskus genannt hat – also einen Namen angenommen hat, der für uns mit viel Bedeutung aufgeladen ist. Die Waldenser sind vor über acht Jahrhunderten aus der persönlichen Umkehr eines Laien entstanden, der in vielem an Franz von Assisi erinnert. Das geschah etwa vierzig Jahre vor Franziskus, aber die Ähnlichkeiten der beiden Bewegungen – der Franziskaner und der Waldenser, die dann um 1500 herum zu einer eigenen Kirche wurden – frappieren auf den ersten Blick: Nüchternheit, Einfachheit, Konzentration auf das Wesentliche, die Nähe zu den Armen. An all das wurden wir erinnert, als es jetzt zum ersten Mal in der Geschichte einen Papst mit dem Namen Franziskus gab. Wir haben den Papst im November zu uns eingeladen und freuen uns, dass er unsere Einladung annimmt.“

Pastor Bernardini (verheiratet, drei Kinder) hat hohe Erwartungen an den Besuch von Franziskus.

„Zweifellos bedeutet das eine Wende. Die ökumenische Bewegung und die Tatsache, dass man sich jetzt untereinander kennt und auch bei der Bibelübersetzung schon zusammengearbeitet hat, haben schon viel bewirkt; es gibt auch ein Abkommen mit der Italienischen Bischofskonferenz über Eheschließungen zwischen Waldensern und Katholiken. Das waren alles wichtige Schritte – aber noch nie ist es geschehen, dass ein Papst eine Waldenserkirche betritt! Das bedeutet für uns eine wichtige Bestätigung dessen, was wir bisher zusammen schon erreicht haben –  und eine Ermutigung dazu, dass wir in der Pluralität unserer Überzeugungen doch gemeinsam Dinge tun, die die Gesellschaft von den Christen heute erwartet.“

Bernardini hält es auch für wichtig, dass die Premiere ‚Papst in Waldenserkirche’ ausgerechnet Turin zum Schauplatz haben wird: „Turin ist für uns nicht irgendein Ort: 1848 wurden hier die Rechte von Minderheiten, also auch von Juden und Waldensern, offiziell anerkannt. Es war die erste Stadt, die die Legitimität einer Präsenz von Waldensern anerkannte – in einer Zeit, zu der die katholische Kirche heftig gegen diese Anerkennung kämpfte. Auch Don Bosco war in dieser Hinsicht sehr polemisch… Der Papst kommt ja auch nach Turin, um den 200. Geburtstag von Don Bosco feierlich zu begehen, und wir haben mittlerweile gute Beziehungen zu den Salesianern, die aus dem Wirken Don Boscos entstanden sind. Der Papstbesuch in Turin wird zeigen: Was geschehen ist, liegt jetzt hinter uns. Heute ist eine andere Zeit!“

„Jahrhunderte des Abschiebens in Ghettos, der Verfolgung und der Vorurteile“ werden für die Waldenser mit dem Papstbesuch zu Ende gehen, hofft Bernardini. „Dieser Besuch bedeutet auch, dass die Verfolgung und die Vorurteile endgültig der Geschichte angehören werden, und die Bekräftigung, dass die Gegenwart eine ganz andere ist. Sollte es also noch jemanden geben, der Vorurteile oder Besorgnisse hat, hoffen wir, dass das jetzt zu den Akten gelegt werden kann!“

(rv 30.03.2015 sk)








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