2015-03-18 12:59:00

Israel: Neue Dynamik bei Palästinensern


Die Angst hat knapp, aber doch gesiegt: Diesen Schluss zieht nach der Parlamentswahl in Israel der deutsche Benediktinerpater Nikodemus Schnabel, der in der Jersualemer Dormitio-Abtei lebt. Bei der Wahl am Dienstag hat die konservative Likud-Partei unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu knapp gewonnen. Netanjahu sieht damit wahrscheinlich seiner vierten Amtszeit entgegen. Der Jerusalemer katholische Weihbischof William Schomali spricht von einem „harten Schlag für eine Zweistaatenlösung und für den Frieden im Heiligen Land“. Andere Beobachter können dem Wahlergebnis auch etwas Positives abgewinnen, weil nun wenigstens „eine neue Eindeutigkeit einkehrt“. 

Pater Nikodemus: „Netanjahu hat im Wahlkampf klar gesagt, er will keine Zweistaatenlösung, keinen Palästinenserstaat. Manche sagen, man kann es positiv sehen, es wird jetzt nicht mehr mit Nebelbomben hantiert, das Sprechen und das Tun gehen ineinander über, und  das kann auch hilfreich sein. Das ist der Versuch, es positiv zu deuten. Natürlich, grundsätzlich, und wenn ich mich hier umhöre – ich bin Mönch, Theologe, Seelsorger und habe viel mit Christen zu tun: Die hätten etwas anderes gehofft.“

Von welchen Haltungen haben sich die israelischen Wähler insgesamt leiten lassen?

Pater Nikodemus: „Ich glaube, es war eine Richtungswahl von der Stimmung her. Die Frage war: Ist es eher die Angst, die dominiert, die Angst vor einem Iran, der atomar aufrüstet, die Angst vor dem „Islamischen Staat“, vor Hamas, vor allem, was in der arabischen Welt passiert an Umbrüchen, die Israel bedrohen - ist es einfach die Angst, die obsiegt, oder eher die Sehnsucht nach Zukunft und nach Dialog, dass es irgendwie wieder weitergeht, dass man aus dieser Sackgasse der Angst herauskommt? Ich glaube, es war eine sehr emotionale Wahl.“

Die Christen in Israel sind im wesentlichen Palästinenser. Die eigentliche Überraschung ist nun, dass zum ersten Mal arabische Parteien einen nennenswerten Erfolg hatten. Ein Bündnis von vier Palästinenser-Parteien wurde mit 14 Sitzen die drittgrößte politische Kraft im Land. Damit bekommt die arabische Minderheit in Israel zum ersten Mal eine größere Bedeutung in der Knesset. Ist das ein Hoffnungszeichen, oder verspricht das im Gegenteil noch mehr Spannungen?

Pater Nikodemus: „Es waren vier konkurrierende Parteien, und jetzt kam ein Zusammenschluss dadurch zustande, dass die Prozenthürde angehoben wurde. Früher brauchte man nur zwei Prozent Wählerstimmen, jetzt hingegen 3,25, um in die Knesset einzuziehen. Daraufhin war klar: 3,25 schafft keine Partei allein, aber wenn man sich zusammenschließt, kann man diese Hürde nehmen, und das hat eine Dynamik hervorgerufen. Die palästinensischen Wahlberechtigten haben sich gesagt, unsere Politiker raufen sich zusammen und stellen ihre persönlichen Animositäten hintenan. Und dann noch das Gefühl, es geht um eine Richtungswahl, es könnte sich etwas verändern: Das alles hat zu einer unglaublich hohen Wahlbeteiligung geführt.“

Eine Wahlbeteiligung von 72 Prozent, das ist historisch. Was lässt sich daraus ablesen?

Pater Nikodemus: „Einige sagen sogar - ich habe noch nicht all Zahlen vorliegen -, dass die Araber sich zu achtzig Prozent beteiligten, also noch eine höhere Wahlbeteiligung als im Durchschnitt haben, weil viele sagten, es macht eben doch etwas aus, wenn ich zur Urne gehe. Von denen, die zur Wahl aufgerufen sind, haben über fünfzig Prozent diese vereinte arabische Liste gewählt, und nur um die zwanzig Prozent sind nicht zur Urne gegangen. Ich bin leidenschaftlicher Demokrat und finde, das ist eine positive Entwicklung, wenn die Leute sagen, nein, ich bleibe nicht daheim und gebe mich politisch auf... Ich denke, es ist immer gut, wenn Leute ihr Recht wahrnehmen, Demokratie auszuüben.“

Lässt sich das gerade auch aus Sicht der kleinen christlichen Minderheit von zwei Prozent aller Israelis sagen?

Pater Nikodemus: „Das Christentum ist ja eine Religion, die sagt, wir sollen Sauerteig sein. Es gibt die Gefahr, dass man sich da wie in ein selbst gewähltes Ghetto begibt. Und dass die Christen jetzt sagen, obwohl wir wenige sind, nehmen wir unsere Verantwortung in Gesellschaft und Politik wahr, das halte ich für eine gute Entwicklung, und die kann ich nur unterstützen!“ 

(rv 18.03.2015 gs)








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