2015-03-14 10:32:00

Unser Buchtipp: Giorgio Agamben - Das Geheimnis des Bösen


Es ist ein dramatischer Titel, mit dem der Philosoph Giorgio Agamben eine Schrift betitelt, in der zwei seiner Vorträge veröffentlicht sind. „Das Geheimnis des Bösen. Benedikt XVI. und das Ende der Zeiten“. Was sich aber vielleicht zunächst wie eine Klage über den Rücktritt eines Papstes anhört, stellt sich bei der Lektüre als das genaue Gegenteil heraus.

Agamben verfolgt ein Projekt. Er hat sich bereits in einem Buch mit dem Römerbrief befasst, „Die Zeit die bleibt“ heißt es. Er hat eine Betrachtung zum Prozess Jesu verfasst, in beiden geht es um die Frage des Aufeinandertreffens von Zeitlichkeit und Unendlichkeit. Und genau das ist auch sein Thema bei der Betrachtung des Rücktritts Benedikt XVI.

Auf der Suche nach Belegen studiert Agamben in seinem Text den Theologen Tyconius und die Auslegung des jungen Joseph Ratzinger dieses frühkirchlichen Theologen. Er liest ebenfalls sorgfältig die Endzeitrede im Tessalonicherbrief. Seine Diagnose: Wir sehen eine Kirche, welche sich nicht mehr mit den letzten Dingen befasst, die sich für die Endzeit nicht interessiert.

Das sei dramatisch, so das Argument, weil es darum gehe, dass die Bedeutung der letzten Dinge gerade darin liege, den „Umgang mit den vorletzten Dingen anzuleiten und auszurichten.“ In den Worten Papst Franziskus: Eine in sich verkrümmte Kirche. In den Worten Papst Benedikt: Eine verweltlichte Kirche.

Die Kirche sei zweigeteilt, sie habe eine helle und eine dunkle, eine erlöste und eine sündige Seite. Aber nur der Blick auf das Ende der Zeiten lässt zutage treten, dass es schon jetzt und heute gilt, sich einer Seite zuzuwenden und die andere abzulehnen.

Die vatikanische Kurie, so Agamben, scheine nur „den Erfordernissen der Wirtschaft und der weltlichen Macht“ genüge tun zu wollen, das ist die These. Damit sei sie blind für eine Seite der Kirche, die geistliche. Hier liegt das Scharnier des Arguments. Es scheint etwas schwach, denn Agamben behauptet, belegt aber nicht. Aber wenn man die Päpste Franziskus und Benedikt zur Hilfe nimmt und den Vorwurf ausweitet, wie es etwa in Evangelii Gaudium ausführlich getan wird, dann bekommt diese Annahme Agambens etwas mehr Halt.

Gegen die Verweltlichung der Kirche habe sich Benedikt XVI. für die geistlichen Autorität entschieden und das durch den Verzicht deutlich gemacht.

Das interessante an diesem Essay ist, dass Agamben souverän die angeblichen Gründe für den Rücktritt ignoriert, die in den Medien immer wieder vorgebracht werden, ohne die Grundlinie zu vergessen. Der nimmt sozusagen das Weitwinkelobjektiv des Philosophen, um das zu entdecken, um das es Papst Benedikt genau so wie seinem Nachfolger geht: Die geistliche Dimension neu zu entdecken und wichtig zu machen.

 

Der Vollständigkeit halber: Der zweite Vortrag enthält denselben Gedankengang, allerdings ohne den Bezug auf den Papstrücktritt. Man kann hier also das Ganze im Trockendurchlauf nachvollziehen.

Die Schrift ist im Verlag Matthes & Seiz erschienen und kostet 10 Euro.

 

(rv 14.03.2015 ord)

 








All the contents on this site are copyrighted ©.