2015-03-07 11:35:00

Libyen: Ein Gespräch mit dem Generalvikar von Tripolis


Die internationale Gemeinschaft bemüht sich, das Problem Libyen an der Wurzel zu lösen. Der UNO-Sondergesandte Bernardino Leon hat in Marokko die Vertreter der beiden konkurrierenden Regierungen von Libyen zusammengebracht; und alles spricht für eine baldige Einigung, vor allem für eine gemeinsame Strategie, wie man dem Vorrücken von Dschihadisten Einhalt gebieten könnte.

Trotzdem herrscht unter den (wenigen, und in der Regel ausländischen) Christen in Libyen derzeit die Verzweiflung vor, sie fühlen sich als Geiseln des Konflikts. Das sagte der Generalvikar von Tripolis, Pater Marcello Ghirlando, im Gespräch mit Radio Vatikan. „Die schlechten Nachrichten über die Enthauptung von Kopten vor ein paar Wochen, und dass der ‚Islamische Staat’ nicht nur in Derna, sondern inzwischen auch in Sirte aktiv ist, hat zu Spannung bei unseren Christen geführt, auch zu einiger Angst. So dass unsere Christen, die in Libyen arbeiten, jetzt ausreisen. Das gilt vor allem für die zwei großen christlichen Gruppen, die im Moment in Tripolis leben, die eine von den Philippinen, die andere aus Afrika.“

Wie viele Christen jetzt noch im Land sind, weiß der Generalvikar der Hauptstadt nicht so genau zu sagen. „Vor dieser neuen Lage in Libyen gab es 13.000 Filippinos, von denen die meisten in den Krankenhäusern und allgemein im Gesundheitsbereich arbeiteten – von denen sind einige gegangen, vielleicht sind etwa 8.000 noch hier. Dann ist da die indische Gemeinschaft, die mal die größte war; und dann gibt es, wie gesagt, die große afrikanische Gemeinschaft. Aber von dieser ist es schwer, irgendetwas Statistisches zu sagen, denn nur ein Teil von ihnen lebt in Tripolis – die anderen, eine riesige Zahl von Menschen aus dem sub-saharischen Afrika, sind nur vorübergehend in Libyen, um ihr Glück zu versuchen und nach Europa zu gelangen. Manche von diesen kommen für ein paar Wochen oder Monate zu uns in die Kirche, aber wir haben von ihnen keine präzise Statistik. Wenn wir am Freitag die Messe feiern, ist die Kirche immer rappelvoll von Afrikanern...“ Wohlgemerkt: am Freitag, und nicht am Sonntag. Denn der Freitag ist der islamische Feiertag der Woche und, anders als der Sonntag, arbeitsfrei.

Es gibt in Tripolis nur eine einzige Kirche, berichtet Pater Ghirlando: „Alle anderen Kirchen sind vor vierzig Jahren enteignet worden“, und „alles“ spiele sich deshalb in der großen Franziskuskirche ab. Natürlich gebe es keine Sicherheit für die Kirchgänger, aber genau besehen gebe es ja Sicherheit „für überhaupt niemanden mehr in Libyen“. „Hier gibt es soviel Hass, soviel Krieg! Aber wir hoffen immer noch... Die Mehrheit der Libyer sind gute Menschen, Menschen, die in Frieden leben wollen, die eine Arbeit und Familie haben wollen. Ich persönlich glaube sehr an ihr traditionelles System, also an die Stämme und die Stammeschefs, an die Alten, die über so viel Weisheit verfügen. Nur über ihre Anstrengungen und über ihren Einsatz lässt sich ein Frieden in Libyen erreichen.“ Die Kirche rufe nicht nach Militär-Interventionen von außerhalb, „sie macht ihren Mund überhaupt nicht auf“; so Ghirlando, „sondern sie betet und bittet darum, dass alle Verantwortlichen dafür arbeiten, dass diese Faktionen sich annähern.“

„Militärische Lösungen? Ich weiß nicht, ob das wirklich Lösungen wären. Dafür muss man sich doch nur mal in der Welt umsehen...“

 

(rv 06.03.2015 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.