2015-02-26 13:56:00

Österreich: Neues Islamgesetz ja, doch der Zeitpunk ist heikel


Österreich hat ein neues Islam-Gesetz, und dieses sorgt für eine europaweite Debatte. Richard Potz, der emeritierte Professor des Institutes für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht sieht in dem neuen Gesetz - allgemein gesehen - einen Fortschritt, doch er ortet auch Unvereinbarkeiten. Der Zeitpunkt für die Ausarbeitung des Gesetzes war seiner Meinung nach nicht optimal.

„Es konnte dem Gesetz, diesen Entwurf nichts Schlimmeres passieren, als dass es genau zu dem Zeitpunkt diskutiert wird, wo die Gräuel der IS global bekannt wurden. Das hat dem Gesetz sicher nicht gut getan. Wenn sie eine Zeitung aufgeschlagen haben, dann hatte man auf der einen Seite die Diskussion über das Gesetz und auf der anderen die IS-Gräuel. Diese Koinzidenz hat die Leute bewegt.“

Zugleich würdigte Potz den Fortschritt, die Ausarbeitung der Novelle nach 113 Jahren, und sieht eine europaweite Vorbildwirkung an dem Gesetz. Einerseits ist das die „systematische Zusammenfassung“ der gesammelten Rechte oder auch die Einführung einer islamischen Theologie an der Universität Wien. Juristisch-technische Probleme sieht er jedoch bei dem Passus der Auflösung islamischer Vereine, der widerspreche der Vereinsfreiheit, sowie der Einbeziehung der Aleviten in das Gesetz. Es wäre besser gewesen den Status der bereits anerkannten Religionsgemeinschaft der Aleviten separat zu regeln, so Potz. Das größte Problem sei für ihn jedoch – gleich am Anfang der Novelle - die ausdrückliche Festlegung des Vorrangs des österreichischen Rechts vor den islamischen Glaubensvorschriften. Diesen Passus gebe es so in keinem Religionsgesetz; er verleihe „dem gesamten Gesetz einen Schimmer von Misstrauen“.

„Gerade in einem Moment, wo man doch differenzieren möchte zwischen der großen Zahl der Muslimen die hier gerne leben und sich dementsprechend auch verhalten, und den terroristischen Extremisten, genau in dem Moment, macht man ein Gesetz, das eigentlich den Islam unter Generalverdacht stellt. Und das ist ein Widerspruch.“

Auslandfinanzierung als Konfliktpotenzial

Ein Punkt, der sich auf die Türkei auswirken werde, sei das Verbot der Auslandsfinanzierung. Die türkischen Religionsbehörden haben das Gesetz bereits kritisiert und als Rückschritt bezeichnet. Rund 60 der 300 Imame in Österreich seien über einen Verein entsandt und müssten daher wieder das Land verlassen. Potz:

 „Besonders spitzt sich das zu, wenn bei dieser Auslandfinanzierung nicht nur Gelder kommen, sondern wenn ein ausländischer Staat - in dem Fall betrifft es den türkischen Staat - türkische Beamte entsandt werden, um hier seelsorgerische Aufgaben regelmäßig zu übernehmen, um hier Moscheegemeinden zu betreuen. Das ist etwas, was für viele Staaten ein Problem darstellt. Man hätte hier stärker differenzieren sollen zwischen Formen der Auslandsfinanzierung, die weltweit notwendig sind, und einer regelmäßigen Finanzierung durch die staatlichen Behörden eines anderes Staates.“

Das historische Gesetz von 1912  war wegen der damaligen Annexion Bosniens an die Donaumonarchie notwendig geworden und hatte keine Regelung, die eine institutionelle Situation islamischer Glaubensgemeinschaft betrifft. Damals wurden nur die muslimischen Bürger mit den Anhängern der anerkannten Kirche gleichgestellt. In den 1970er Jahren wurde die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich gegründet. Ab diesem Zeitpunkt war das Islam-Gesetz mangelhaft, erklärt Potz.

Die Novelle war also notwendig, betonte auch Richard Potz, doch kaum geboren, müsste sie streng genommen gleich nochmals überarbeitet werden, um Konflikte zu vermeiden.

„Das alte Gesetz wurde deshalb überwiegend gelobt, weil es das einzig vergleichbare Gesetz war. Es hat auch ein Parallelgesetz in Ungarn gegeben im Rahmen der Donau-Monarchie, aber diese Gesetze sind zur Zeit der kommunistischen Herrschaft aufgehoben worden. Es war ein Unikat europaweit und wurde daher, meiner Meinung nach zu Recht, gelobt. Das neue Gesetz ist schwer einzuordnen. Auf der einen Seite bringt es eine vernünftige Zusammenfassung der Rechte der islamischen Glaubensgemeinschaft und anderer Religionsgemeinschaften. Das Gesetz hat aber eine Reihe von  Bestimmungen, die, wie ich meine, zu Recht kritisiert werden.“

(rv 26.02.2015 no)

 








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