2015-02-19 12:12:00

Barockmusik – ein katholisches Phänomen?!


Wenn Sie das Wort Barockmusik hören, dann denken Sie wahrscheinlich, wie die meisten, gleich an Bach und Händel, zwei der größten protestantischen Musiker, und ordnen damit automatisch die Barockmusik dem Protestantismus zu. Peter Hersche, emeritierter Professor für neuere allgemeine Geschichte an der Universität Bern, erzählt eine andere Geschichte: Für ihn ist Barockmusik ein katholisches Phänomen. In seiner Studie „Mit Pauken und Trompeten – oder: Weshalb die Barockmusik ein katholisches Phänomen ist“ geht er den Spuren der Barockmusik nach - und findet die frühesten dieser Spuren in Italien.

Schon im Mittelalter war in Italien Musik aus den Gottesdiensten nicht wegzudenken. Zur Beginn des Hochbarocks um 1650 wurde diese dann in über 300 Bistümern, 6.280 Männerklöstern und von 70.000 Mönchen, verbreitet und gespielt. Allein Rom besaß zu dieser Zeit mindestens 25 Kirchenkapellen, wovon jede über mindestens acht Sänger, einen Organisten, einen Kapellmeister und mehrere Instrumentalisten verfügte. Ein Tag ohne Kirchenmusik fand in Rom also kaum statt. Betrachtet man zusätzlich die Anzahl der Feiertage, dann wird sichtbar, dass die Lutheraner mit ihren 15 bis 25 Feiertagen viel weniger davon hatten als die Katholiken: Bei denen kamen nämlich zu den festen 35 Feiertagen noch viele lokale Feiertage dazu: von 25 Lokalfeiertagen im Norden bis zu 55 Lokalfeiertagen im Süden. Dass an allen Feiertagen mit Musik gefeiert wurde, steht außer Frage.

Italien betrachtete sich im Barock als Speersitze der katholischen Kirche. Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung waren Geistliche, allein von den 100 bekanntesten Italienischen Barockkomponisten war es ein Drittel. Doch wie kam es, dass in Italien die Barockmusik so viel mehr gepflegt worden ist als in Deutschland?

„Ich glaube, dass die günstigen Rahmenbedingungen entscheidend waren“, sagt Peter Hersche. „In Deutschland haben wir den 30-Jährigen Krieg gehabt, der das Musikleben richtiggehend getötet hat. Zudem war in Italien viel mehr Geld vorhanden, und es waren viel mehr Leute an dieser Musik interessiert. Auch die Kirche hat in Italien eine viel größere Rolle gespielt als im protestantischen Deutschland.“

Allerdings galt auch in Italien: Musik braucht Geld. Konzerträume mussten bezahlt, Instrumente gebaut werden. Geld, das im frühen 17. Jahrhundert durch die wirtschaftlich angespannte Situation in Italien immer knapper wurde. Darum entließ die Kirche die Musiker und setzte das freigewordene Kapital für die Landwirtschaft ein. Italien wuchs dadurch zum größten Agrarexporteur der Wirtschaft, was wiederum einen stabilen Zufluss an Geldmitteln zur Folge hatte - und dieses konnte dann wieder in die Musik investiert werden. Somit war die Landwirtschaft im Barock die Grundlage für die Kirchenmusik in Italien.

Doch wie kam die Barockmusik dann nach Deutschland? Können die Protestanten Bach und Händel als Importeure bezeichnet werden? Noch einmal Peter Hersche:

„Bei Händel würde ich das noch etwas mehr sagen, bei Bach aber sicher auch. Bach hat zwar auch die deutsche Tradition verwendet, aber aus seinen Noten lässt sich erkennen, dass auch Italien eine wichtige Rolle gespielt hat. Bei Händel ist es von vornherein klar.“

(rv 19.02.2015 aw)








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