2015-02-16 10:37:00

„Ebola infiziert einen und tötet alle“


Die Zahl der Ebola-Neuinfektionen in Westafrika sinkt wieder – das war gestern. Zwar konnten in Liberia und Guinea tatsächlich wieder (nach sieben Monaten der Schließung) die Schulen ihre Tore öffnen, weil sich die Ebola-Krise entspannt hat. Aber in Sierra Leone geht die Kurve der Neuinfektionen wieder nach oben, schon die zweite Woche in Folge. Mit über 11.000 Ansteckungen und mehr als 3.600 Toten hat Sierra Leone sowieso schon den höchsten Ebola-Preis in der Region gezahlt.

Nach dem Ebola-Tod eines Fischers in der Hauptstadt Freetown hat die Regierung jetzt über siebenhundert Wohnungen eine Quarantäne verhängt, für mindestens drei Wochen. Ebola ist wieder da, mitten in Freetown: Das ist ein Schock für die Bevölkerung. „Uns hat diese Nachricht wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen“, sagt uns der Missionar Maurizio Boa, den wir telefonisch in der Hauptstadt erreicht haben: „Wir hatten eigentlich gedacht, die Ansteckungen gingen zurück, und jetzt haben wir das völlige Desaster wieder. Die Menschen sterben gruppenweise, sechs bis zehn Tote in einer Familie, auch mehr... Ebola kommt, infiziert einen und tötet alle. Ein unglaublicher Schmerz für die Überlebenden. Gestern ist die Sekretärin unserer Schule gestorben; sie hatte gerade erst ein Kind bekommen, jetzt hat Ebola sie getötet und drei weitere Angehörige gleich mit, weitere zehn haben Symptome. Keiner kann begreifen, was hier gerade vorgeht. Dabei passen die Menschen doch weiter gut auf, keiner fasst den anderen an!“

Viele Priester in Sierra Leone denken jetzt darüber nach, wie sie am Aschermittwoch das Aschenkreuz austeilen können, ohne irgendjemanden zu berühren. Pater Maurizio hofft inständig, dass es der Regierung gelingen wird, den neuen Ebola-Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen.

„Es sind zwei isolierte Stadtviertel, eines in Kambia und ein anderes in Freetown. In den anderen Gebieten sind wir (bei Ebola-Ansteckungen) nahe oder ganz an Null, aber in diesen zwei Vierteln ist das Virus richtiggehend explodiert.“

Mittlerweile gebe es eine Reihe von medizinischen Zentren, die „gut ausgerüstet“ seien und bei der Heilung von Ebola-Infizierten durchaus Erfolge vorweisen könnten. Eine große Rolle scheint zu spielen, dass Angesteckte so schnell wie möglich in ein solches Zentrum gebracht und therapiert werden, berichtet der Missionar.

„Schwer ist die Lage für Schwangere, denn keiner will sie anfassen. Man schickt sie in den Krankenhäusern von Pontius zu Pilatus, bis sie endlich irgendwo ihr Kind zur Welt bringen können.“

Und dramatisch ist natürlich die Lage der Kinder, die durch Ebola zu Waisen werden: 16.000 sollen es sein in Guinea, Liberia und Sierra Leone, sagt die Unicef.

„Ich kann für Waterloo sprechen: Das ist ein früherer Militärflughafen aus dem Zweiten Weltkrieg, der 1991 zu einem Flüchtlingslager geworden ist. Heute ist das ein Dorf namens ‚Kissi Town’, mit über 20.000 Einwohnern. Im September, Oktober und November hat es da einen starken Ausbruch von Ebola gegeben, dann sind dank des Einsatzes von ‚Emergency’ die Zahlen sofort gesunken. Die Waisenkinder haben für den Augenblick alle eine vorübergehende Aufnahmefamilie gefunden; jetzt warten wir auf die Zeit, dass Ebola ganz vorübergeht, um zu sehen, was man langfristig tun kann. Bis dahin lassen wir ihnen Nahrung und Kleidung zukommen; dasselbe gilt auch für die Witwen, die Kinder – oft kleine Kinder – haben. Was kann man schon machen? Man muss sie unterstützen, denn Arbeit gibt es für niemanden.“

Sie hatten alle „so gehofft, dass Ende März die Schulen wieder öffnen“, sagt Pater Maurizio noch. Was für „ein großes Aufatmen“ wäre das für alle gewesen! Aber daraus wird jetzt nichts. Die Hoffnung, „dass alles wieder so wird wie früher, liegt heute in weiterer Ferne als gestern“.

(rv 16.02.2015 sk)








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