2015-02-13 11:46:00

Lampedusa: Drama bei Windstärke 8


Lampedusa – der Name einer Mittelmeerinsel, die mittlerweile jeder kennt. Sie ist zum Synonym geworden für die verschlossenen Türen Europas- für die vielen Migranten, die alles verlassen und ihr Leben aufs Spiel setzen. Um schließlich – so nennt es Papst Franziskus, „menschenunwürdig sterben zu müssen“. Niemand habe das verdient. Das Mittelmeer ist ein immer größer werdendes Massengrab, und die aktuelle Tragödie sollte uns alle aufwecken.  Laut UNHCR sind diese Woche vor Lampedusa mehr als 300 Bootsflüchtlinge erfroren, man liest sogar von etwa 400 Erfrorenen, die ihre Überfahrt von Libyen aus nicht überlebt haben. Salvatore Caputo ist Krankenpfleger, und er war mit den See-Rettungskräften im Einsatz, die als erste den Flüchtlingen in ihren Booten zu Hilfe kamen:


„Am Sonntag sind wir angerufen worden und gleich hinausgefahren. Fünf Stunden auf hoher See, um den Ort zu erreichen, circa 130 Meilen vor der Küste von Lampedusa, an der Grenze zu den libyschen Gewässern. Wir haben das Schlauchboot mit 105 Migranten an Bord gefunden, die ersten 60 wurden auf ein Boot gebracht, die anderen auf das zweite Wachboot. Wir kamen nur schwer und langsam voran, die Wetterbedingungen waren unmenschlich. Langsam auch wegen der Migranten: Sie hätten noch mehr gefroren, wären wir schneller gefahren. Wir haben alles getan: Iso-Decken verteilt, Essen verteilt… aber einige schafften es nicht. Den ersten Toten hatten wir gegen fünf Uhr früh. Wir brauchten 22 Stunden für die Rückfahrt, mit Wind um die 75 km/h, zehn Meter hohen Wellen, eine Apokalypse! Auch wir hatten Angst. Es war eine so traurige Situation, einer nach dem anderen starb.“

Das Schlimmste war, dass die Flüchtlinge alle so jung waren, erzählt Caputo. Im Durchschnitt 25, zwei Minderjährige unter siebzehn, alle unidentifiziert. Nicht alle Rettungskräfte stecken es weg, wenn ihnen ein 20-jähriger nach dem anderen unter den Händen stirbt, sagt Caputo.

 
Ende des Jahres lief das von Italien getragene Notrettungsprogramm „Mare-Nostrum“ aus, stattdessen ging die europäische Grenzschutzmission „Frontex“ an den Start. Von Anfang an gab es Kritik am eingeschränkten Frontex-Mandat, Angst, dass jetzt die Zahl der Toten wieder steigen werde. Nun werden die Stimmen wieder lauter, die nach einer richtigen politischen Lösung rufen. Oliviero Forti, Mitarbeiter der Caritas Italien:


„Es ist nicht nur ein humanitäres Problem, es ist nicht nur ein Problem von Kontrolle, von kriminellen Banden, die 400 Menschen in ein Boot setzen jenseits der Grenzen von erträglichen Wetterbedingungen. Es ist eine Frage, die mit politischem Realismus beantwortet werden sollte! Aber daran fehlt es komplett.“

Der politische Realismus fehle auch deswegen, weil sich niemand so richtig zuständig fühle. Als wäre das ein „Problem Italiens“. Der Caritas-Mitarbeiter sieht eigentlich nur eine Lösung: Mare Nostrum müsste sofort reaktiviert werden. Die europäischen Bischöfe nehmen sich vor, die EU-Politiker darauf anzusprechen. Es geht um eine gemeinsame europäische Lösung, sagt der Generalsekretär der EU-Bischofskommission ComECE, Pater Patrick Daly.

„Ich verstehe vollkommen, dass Italien, nur weil es an den Außengrenzen liegt, nicht mit dem Problem alleine gelassen werde sollte. Und die sogenannte Dublin-Verordnung weist eine gewisse Ambivalenz auf. Dennoch gibt es ein wachsendes Bewusstsein der Dringlichkeit in Europa für eine EU-weite Lösung des Flüchtlingsproblems.“


(rv 13.02.2015 no)

 








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