2015-01-18 14:15:00

Bilanz: Alle waren dem Papst nah


In den achtziger Jahren besuchte Papst Johannes Paul II. Argentinien. Damals wettete ein Jesuit namens Bergoglio, Rektor des ‚Colegio Maximo‘ in Buenos Aires, mit jungen Mitbrüdern: „Wer am nächsten an den Papst herankommt, der bekommt von mir einen Preis!“ Einer dieser argentinischen Jesuiten hat mir diese Anekdote gestern in Manila erzählt. Den Preis habe damals ein Mitbruder gewonnen, der sich als Bodyguard ausgab und es bis neben den Papstaltar schaffte. Welchen Preis er dafür von Padre Bergoglio bekommen hat, daran erinnert er sich der Jesuit heute nicht mehr. Aber die Pointe ist eine andere: Damals wettete der unbekannte Jesuit Bergoglio mit Mitbrüdern. Heute, beim Besuch von Papst Bergoglio in Asien, hat gleich die Bevölkerung eines ganzen Landes diese Wette abgeschlossen: Wer kommt am nächsten heran? Und die Filipinos haben, so kann man das gleich weiterspinnen, die Wette gewonnen. Sie waren dem Papst ganz nah. Alle.

Beeindruckend, wie ein ganzes Land auf die Straßen strömte, um wenigstens einen kurzen Blick auf den Gast aus Rom zu erhaschen. Beeindruckend auch, wie Franziskus darauf einging, die vorbereiteten Redetexte beiseitelegte und ganz einfach, von Herzen, predigte. Die Philippinen kamen dem Papst emotional ganz nahe, und umgekehrt: Hier fanden der Latino Franziskus und die ‚Latinos Asiens‘ zueinander. Die Philippinen sind weiland von Mexiko aus christianisiert worden, das merkt man bis heute, das merkte man heute.

Franziskus` Besuch auf den Philippinen war reich an bewegenden Momenten. Vor allem im Taifungebiet, am Ground Zero von Tacloban und Palo: Da hatte sich der Papst dasselbe gelbe Regencape übergezogen, das auch die übrigen Messbesucher trugen, und trotzte zusammen mit ihnen dem Regen und Wind. Ikonisch wurde er dadurch tatsächlich zum „People`s Pope“, zum Papst des Volkes, als den ihn die Titelseiten der hiesigen Tageszeitungen bezeichneten. „Viele von euch haben alles verloren“, sagte Franziskus den Taifun-Überlebenden, nach Worten ringend – er wisse nicht, was er ihnen sagen, welchen Trost er ihnen geben solle, er könne ihnen nur sagen: „Ihr seid nicht allein“. Die widrige Witterung und, leider, auch ein Todesfall gaben der Szenerie mehr als nur einen Hauch von Drama.

Was wird nun bleiben von diesen paar Tagen des Papstes in Manila? Nein, es ist nicht der Besucherrekord der angeblich sechs bis sieben Millionen Menschen bei der Papstmesse vom Sonntag. Diese Zahl, die von der (an Erfolgen und Rekorden interessierten) Regierung verbreitet wurde, steht auf wackligen Füßen, denn die Polizei war bei einer anderen Zählung nur auf etwa fünf Millionen Gottesdienstteilnehmer gekommen. Was also bleibt? Der Papst hat auf inspirierte Weise sein Lehramt der klaren Rede weiter ausgefaltet; das wird bleiben. Er ist sehr ausdrücklich immer wieder auf die Themen Armut, soziale Ungleichheit, Korruption zurückgekommen; auch das wird hoffentlich bleiben und wirken. Die Filipinos haben sich der staunenden Christenheit als tiefgläubiges, allzeit Fiesta-bereites Volk präsentiert; man wird sie von nun an (wieder) ganz anders auf dem weltkirchlichen Schirm haben. Und das unabhängig davon, ob die Visite aus Rom im Land der über 7.000 Inseln geistliche Tiefenwirkung zeigen wird. Oder ob sie sich, längerfristig, doch eher als Strohfeuer entpuppt.

Eines ist klar: Asien ist jetzt tatsächlich wieder eine Priorität für den Vatikan, daran lassen die wiederholten Reisen von Franziskus auf den Kontinent keinen Zweifel mehr. Damit nimmt der Vatikan auch China noch stärker in den Blick, auch wenn es auf dieser Reise nicht einmal namentlich genannt wurde. Nicht wenige chinesische Katholiken, die es sich leisten konnten, sind in diesen Tagen mit einem Touristenvisum – problemlos, soweit man hört – nach Manila gekommen. Das wurde in den Medien kaum erwähnt, und dem Vatikan ist diese Diskretion nur recht: Doch das Faktum ist bemerkenswert. Peking wird die Tour des Papstes durch seinen regionalen Hinterhof aufmerksam verfolgt haben; man darf gespannt sein, wie es jetzt weitergeht in den Nicht-Beziehungen zwischen dem Vatikan und China.

Auch in vielen anderen Ländern Asiens wird die Reise Nachwirkungen haben – dafür werden schon die Hunderttausenden von Filipinos sorgen, die sich als Arbeitsmigranten in diesen Ländern aufhalten. Die Kirche in Asien lebt, sie hat ein junges, und sie hat ein Filipino-Gesicht: Das haben wir auf dieser Papstreise gelernt.

(rv 18.01.2015 sk)








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