2015-01-15 11:21:00

Manila: Vorbereitungen auf die „once-in-a-lifetime-experience“


Die Philippinen sind in Franziskus-Modus. Stefan Kempis ist als unser Korrespondent in Manila. Wir fragten ihn an diesem Donnerstag, wie sich die Hauptstadt der Philippinen dem Gast aus Rom präsentiert und wie die Stimmung unter den Menschen ist.

„Hier herrscht ein unglaublicher Enthusiasmus, alle Klischees und Vorstellungen vom tiefkatholischen Volk, das einen Papst fast wie einen Messias feiert, werden in diesen Stunden erfüllt. Dieses 100-Millionen-Menschen-Volk hat ohnehin eine sprichwörtliche Willkommenskultur, eine Kultur der freundlichen Aufnahme von Gästen, und das greift jetzt auch bei Franziskus. An allen Straßen prangen Willkommens-Plakate, ich habe gehört, dass das auch im Landesinnern, wohin der Papst mit Ausnahme der Insel Leyte gar nicht reisen wird, der Fall ist. Die Menschen machen Selfies mit lebensgroßen Papst-Pappfiguren, die in den Kirchen und Hotels aufgestellt sind, Papst-T-Shirts und –Becher werden auf den Straßen verkauft, ja Franziskus ist sogar Musical-Star hier in der Hauptstadt, die eine der lebendigsten Theater- und Musikszenen Südostasiens hat. „Pope Francis – the Musical“. Als Besucher aus Europa fragt man sich heimlich, wie nachhaltig diese Begeisterung, dieses Wir-sind-Papst-Gefühl auf den Philippinen sein wird, aber ich muss zugeben: Es ist ansteckend.“

Was sagen die Medien, was schreiben die Zeitungen?

„Radio und Fernsehen senden ununterbrochen zum Thema Papstbesuch; die philippinische Bischofskonferenz hat eine sehr quirlige Medienpolitik und viel Erfahrung auch mit den neuen Medien, sie hat dafür gesorgt, dass den Journalisten kompetente Einflüsterer aus Kirchenkreisen zur Seite stehen – „damit auch der Inhalt stimmt und das Ganze nicht nur schöne Bilder ergibt“, so hat mir das ein Medienbeauftragter der Bischöfe erklärt. Was die Zeitungen betrifft: Es gibt vier große Tageszeitungen in Manila, und sie alle titeln an diesem Donnerstag ein riesiges ‚Willkommen!‘. Die Artikel der „Manila Times“ strotzen nur so von Adjektiven wie „tumultarisch“ oder „anbetungswürdig“. Ein Leitartikler mahnt zwar, man solle sich von Papst Franziskus „auch kein Feuerwerk erwarten“ – aber dann folgt doch sehr bald die Überschrift „Bitte, Heiliger Vater, helfen Sie uns, die philippinische Republik zu retten!“ Diese Einstellung ist weit verbreitet; wenn ich mit Filipinos spreche, dann sagen sie als erstes, sie erwarteten sich vom Papst „den Segen“, und ich denke gleich, aha, sehr asiatisch, sehr spirituell. Aber direkt danach sagt dann die philippinische Ordensfrau: „Der Papst sollte auch etwas gegen die Korruption unserer Politiker tun.“ Oder ein Laie meint: „Franziskus ist doch ein Kämpfer gegen die Armut, er sollte dagegen einschreiten, dass immer mehr Kinder in unserem Land auf der Straße leben!“

Also gibt es doch ganz handfeste Hoffnungen, die sich an diesen Papstbesuch heften?
„Ja, ganz handfeste Hoffnungen. Die Philippinen haben ja auch schon einmal erlebt, was eine solche Apostolische Visite bewirken kann: 1981, mitten während der Marcos-Diktatur, kam Johannes Paul II. nach Manila und sprach mahnend von sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten; das ermunterte damals katholische Laien, sich gegen das Regime zu engagieren, und fünf Jahre später wurde Marcos tatsächlich von Massen-Demos, zu denen die Bischöfe mit ermunterten, aus dem Amt gejagt: die sogenannte Rosenkranz-Revolution. Man ahnt bei der derzeitigen Stimmung auf den Philippinen, welche Schubkraft in dieser Bevölkerung, von der mehr als achtzig Prozent katholisch sind, ein Papstbesuch auslösen kann. Bei anderen Ländern wäre ich mir nicht so sicher – aber wenn Franziskus hier auf einmal deutlich und mehrfach sagen würde: Filipinos, macht Schluss mit dieser skandalösen Kluft zwischen Reich und Arm, kümmert euch um eure Armen… ich bin sicher, das hätte konkrete Nachwirkungen. Übrigens, die Zeitung „Philippine Star“ macht auf ihrer Titelseite auf mit „Lieber Franziskus…“, und dann kommt eine lange Liste, was der Heilige Vater alles ändern soll: unter anderem gegen die Kriminalität im Land vorgehen, etwas gegen die Arbeitslosigkeit tun, das Land der über 7.000 Inseln vor dem Klimawandel bewahren. Der Klimawandel ist eine echte Bedrohung für die Philippinen, kein Ort im Land ist weiter als 200 km vom Meer entfernt, das macht sie anfällig für das Ansteigen des Wasserspiegels. Und dazu kommen die häufiger werdenden Taifune und die Erdbeben – also auch gegen den Klimawandel soll Franziskus, der ja bekanntlich gerade an einer Umwelt-Enzyklika textet, doch bitte etwas tun.“

Wird der Papstbesuch auch instrumentalisiert?

„Ja, das bleibt natürlich nicht aus. In einer Zeitung gehen zwei Politiker den hohen Gast aus Rom an, er solle sich doch bitte einer Einführung der Ehescheidung auf den Philippinen nicht widersetzen. Da versucht man, Franziskus gegen die Bischöfe des Landes in Stellung zu bringen, die natürlich gegen ein Scheidungsrecht sind. Übrigens, ein Gesetz zur Bevölkerungskontrolle und zur Freigabe von Verhütungsmitteln hat Präsident Aquino unlängst gegen den Einsatz der Bischofskonferenz durchgesetzt – ein Zeichen dafür, dass auch hierzulande die Säkularisierung an Boden gewinnt. Von der Teilinsel Mindanao im Süden der Philippinen melden sich in diesen Tagen über die Zeitungen viele muslimische Stimmen, die hoffen, dass der Papstbesuch zu einem Ende des bewaffneten Konflikts auf Mindanao beiträgt; dort gibt es mit etwa zwanzig Prozent eine starke islamische Präsenz und eine andere kulturelle Prägung als im Rest des Landes, dort kämpfen Separatisten und Islamisten, und ein Friedensprozess ist jetzt erst sehr zögerlich in Gang gekommen.“

Wie ist die Organisation? Gibt es Sicherheitsbedenken, droht ein Chaos?
„Auf den Straßen von Manila scheint schon an normalen Tagen das Chaos zu herrschen – ein ständiger Verkehrsstau. Wegen der doch fühlbar starken Sicherheitsvorkehrungen ist jetzt der Verkehr praktisch völlig zum Erliegen gekommen, die Polizei hat einfach die Straßen durch das Stadt- und Finanzzentrum abgesperrt, wie mit einem Schlüssel. Überall fahren Polizisten auf dem Fahrrad herum (was nicht wirklich bedrohlich aussieht), überall sind Menschen zu Fuß unterwegs, um den Papst zu sehen. Obwohl Regen angesagt ist, hat die Polizei angeblich das Mitführen von Regenschirmen verboten – aus Sicherheitsgründen. Aber dann werden die Menschen eben nass, so etwas wird sie nicht stoppen, schließlich geht es hier, wie der „Philippine Star“ schreibt, um eine „once-in-a-lifetime-experience“, eine Erfahrung also, wie man sie nur einmal im Leben macht. Alle, mit denen ich spreche, gehen davon aus, dass etwa sechs Millionen Menschen insgesamt den Papst zu sehen bekommen werden, und ich kann mir das gut vorstellen: Schließlich herrscht hier ein Typus von Religiosität, bei dem das Anfassen, das Berühren eine große Rolle spielt. Heiligenstatuen oder die berühmte Statue des „Schwarzen Nazareners“ werden mit Lappen ehrfüchtig abgerieben, da drängen sich Millionen herbei, um des Heiligen wenigstens für einen Moment habhaft zu werden – das wird auch Franziskus bei seinem Besuch zu spüren bekommen, ganz buchstäblich.“

 

(rv 15.01.2015 sk)








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