2014-12-29 11:03:00

Russland: Zwischen den Weihnachtsfesten


Während die Feststimmung im Westen bereits abklingt, steht der orthodoxen Kirche ihr Weihnachtfest noch bevor: am 7. Januar wird gefeiert. Für die Mitglieder der deutschen katholischen Gemeinde in Moskau ist das eine merkwürdige Situation, zwischen zwei Weihnachtsfesten zu leben. Thema in den Gottesdiensten der Moskauer St. Elisabethgemeinde und auch in den Gesprächen danach ist außerdem eine zweite Schwierigkeit, nämlich die politische Krise und was diese für die Christen in Russland bedeutet. Michael Hermann hat in Moskau mit dem Pfarrer der St.-Elisabethgemeinde gesprochen.

Wilfried Wehling kennt sich aus in Moskau, kennt sich aus mit der russischen Gesellschaft. Vor 24 Jahren kam der katholische Priester nach Moskau. Die Deutsche Bischofskonferenz hat Wehling als ständigen Pfarrer entsandt. Seitdem kümmert sich Wehling, der der Fokolarbewegung angehört, um die deutschen Katholiken in Moskau. In diesen 24 Jahren hat Wehling drei große Krisen erlebt. Die jetzige erlebt er als besonders schwer.

In seinem russischen Freundeskreis gebe es nicht wenige, die wegen der finanziellen Folgen der Ukraine-Krise ihre Arbeit verloren haben. Und auch die russisch-orthodoxe Kirche sei in einer schwierigen Situation, sagt Wilfried Wehling: „Die orthodoxe Kirche macht auch eine Krise mit durch. Das hört sich vielleicht komisch an, aber sie lebt großenteils von Sponsoren. Sponsoren, das sind reiche Russen, die sich als Gönner der Kirche zeigen. Durch diese Krise haben diese Reichen auch weniger und können auch weniger weitergeben. Man merkt also: Die Krise greift ganz schön, tiefer als man es anfangs vielleicht dachte.“

Wenn Pfarrer Wehling nach dem sonntäglichen Gottesdienst im Versammlungsraum der deutschen Botschaft mit den Gemeindemitgliedern – darunter viele Diplomaten, Botschaftsangehörige und Geschäftsleute – ins Gespräch kommt, spürt er, wie viel Verunsicherung auch bei diesen vorhanden ist: „Als die Krise so richtig anfing, hat mein evangelischer Kollege mich gebeten, ob wir nicht etwas unternehmen könnten, einen Gebetsabend vielleicht, weil er so viel Verunsicherung merkte. Das wollte er von der einen auf die andere Stunde anbieten, weil er merkte, wir Pfarrer, wir Priester müssen unsere Gemeinde begleiten.“

Christen, egal welcher Konfession, sollten nicht ohnmächtig zuschauen, was in der Welt der Politik und der Wirtschaft passiert, findet Wehling: „Wir haben vor zwei Wochen eine Konferenz abgehalten, gemeinsam, also die evangelische, katholische und orthodoxe Kirche. Es war der evangelische Erzbischof von Moskau dabei, ein Mönch von der russisch-orthodoxen Kirche, der auch im Außenamt der russisch-orthodoxen Kirche arbeitet, und ich als katholischer Vertreter. Das Ganze stand unter dem Titel ,Kann Glaube Frieden schaffen?‘ Wir haben uns damit auseinandergesetzt. Und das ist auch ganz wichtig, dass wir uns mal gemeinsam an einen Tisch setzen und der Öffentlichkeit zeigen: Wir wollen etwas dazu tun, denn das ist auch unser Auftrag von Jesus Christus. Dieser geht tiefer als politische Differenzen.“

Wilfried Wehling rechnet nicht damit, dass das verloren gegangene Vertrauen in den deutsch-russischen Beziehungen kurzfristig wieder hergestellt werden kann. Aber in einer mittel- bis längerfristigen Perspektive ist der katholische Pfarrer, der schon so viel Auf und Ab in den deutsch-russischen Beziehungen erlebt hat, recht zuversichtlich. Er erinnert daran, wie nach dem Zerfall der Sowjetunion Schritt für Schritt Vertrauen aufgebaut werden konnte:

„Damals haben wir es auch geschafft, Vertrauensbeziehungen aufzubauen. Und ich denke, das wird auch wieder zurückkommen. Ich glaube nicht, dass das ewig dauert. Es ist ganz wichtig, von unserer Seite aus nichts abzuschneiden; den Eindruck zu vermitteln, wir sind da, wenn ihr wollt auch in unseren Beziehungen, das ist ganz, ganz wichtig. Der Russe ist auch ein Mensch, der aus und von Beziehungen lebt, das merkt man sehr stark. Und ich kann verstehen, dass jetzt die Enttäuschung da ist, dass eine solche Krise so etwas nicht aushält. Aber ich denke, wenn man weitermacht und tiefer geht, kann man diese Beziehungen auch wecken und wiederfinden.“

 

(rv 27.12.2014 mch)








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