2014-12-28 16:31:00

Mozambique/Italien: Die Augen vor Zwangsprostitution nicht verschließen


Mit seiner Botschaft zum kommenden Weltfriedenstag am ersten Januar will der Papst international gegen die moderne Sklaverei mobil machen. Wie aus dem Global Slavery Index 2014 hervorgeht, werden heute 35,8 Millionen Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, weltweit auf unterschiedliche Weise in sklavischen Verhältnissen ausgebeutet: als Haus- oder Sexsklaven, in der Landwirtschaft, im Bergbau oder der Industrie sowie für den Organhandel und das illegale Adoptionsgeschäft.

Ein Teilbereich der modernen Sklaverei ist die Zwangsprostitution. Darüber hat die aus Mozambique stammende Autorin Amilca Ismail einen Roman geschrieben. Radio Vatikan hat mit der in Italien lebenden Frau gesprochen. „Ich habe dieses Thema für mein Buch gewählt, weil die Prostitution und der Handel Minderjähriger heute überhandgenommen haben und diese Formen der Sklaverei weiter wachsen. Wir sehen das Problem nicht nur in Italien, sondern überall! Es ist ein sehr aktuelles Thema. Ich wollte diesen Frauen eine Stimme geben, die sonst keine haben.“

Mit der afrikanischen Diaspora hat auch die Versklavung zugenommen: So sind viele Afrikanerinnen, die illegal nach Italien einreisen, Opfer von Menschenhändlern und Zwangsprostitution. Allein aus Nigeria sollen sich in dem Stiefelstaat laut offizieller Schätzungen rund 10.000 Prostituierte aufhalten. Ismail erzählt in ihrem Roman - italienischer Originaltitel „Effimera Libertà“, übersetzt „Flüchtige Freiheit“ - die Geschichte eines solchen afrikanischen Mädchens, Ruth, das mit 14 Jahren unter falschen Versprechen nach Italien gelockt, dort zehn Jahre lang als Prostituierte ausgebeutet wird und schließlich an den Folgen einer illegalen Abtreibung stirbt. Es ist eine fiktive Geschichte, die sich an der Realität inspiriert: So hatte Ismail von einem solchen Fall in der Zeitung gelesen.

„Angst vor den Dingen, die wir nicht sehen“

Sie habe mit der Geschichte Aufmerksamkeit für ein Drama wecken wollen, dessen tatsächliches Ausmaß im städtischen Alltag nur teilweise sichtbar sei, so die Autorin im Gespräch mit Radio Vatikan: „Auf den Straßen sehen wir zwar Prostituierte und finden das beunruhigend. Was uns aber noch mehr Angst machen sollte, sind doch die Dinge, die wir nicht sehen. Mein Buch spricht nicht von den Prostituierten auf den Straßen, sondern von denen, die drinnen gefangen sind.“ So erzählt Ismail auch nicht über den Straßenstrich an den Rändern der italienischen Großstädte, sondern über die nicht minder verbreitete Prostitution im Herzen der feinen Gesellschaft: Ruths Kunden sind Politiker, Ärzte und Anwälte, für die die „schwarze Schönheit“ aus Afrika eine „exotische“ Abwechslung bedeutet.

Das Problem der Prostitution und des Menschenhandels kennt Ismail auch aus ihrem Heimatland: nach Ende des Bürgerkriegs hätten in Mozambique Kinderprostitution und Menschenhandel Aufwind bekommen, erzählt sie. Gefördert worden sei dies durch ausländische Präsenz im Land: „Als ich noch kleiner war, hatte es so was nicht gegeben. Es hat in der Krisenzeit begonnen - ich ging da gerade auf das Lyzeum - als aus Europa die ersten Helfer kamen. Ich habe viele junge Mädchen gesehen, die sich verloren haben. Man sah diese Mädchen, die mit den humanitären Helfern gingen… Die nationale Währung draußen war nichts wert, und es gab da diese Läden, wo man nur mit Dollars kaufte. Meiner Meinung hat das Phänomen der Kinderprostitution dort begonnen.“

Beschuldigungen gegen Blauhelmsoldaten

Junge Leute hätten damals begonnen, ihren Körper zu verkaufen – vor allem, um ihren verarmten Familien zu helfen, so Ismail. Auch gegen die in Mozambique stationierten Friedenstruppen der Vereinten Nationen war in den 90er Jahren der Vorwurf laut geworden, sie würden Kinder sexuell ausbeuten: Seit der Ankunft der 6.000 Mann starken Truppe in Mozambique habe die Prostitution insgesamt rapide zugenommen, betroffen seien in zunehmender Zahl Minderjährige, gab damals die Kinderschutzorganisation „Save the Children“ an. Nach einer offiziellen Untersuchung waren die Beschuldigungen gegen die Blauhelmsoldaten im Februar 1994 bestätigt worden.

Ismail erzählt weiter, dass auch Südafrika die Prostitution im Nachbarland Mozambique begünstigt habe: Zur Zeit der Apartheit sei es keine Seltenheit gewesen, dass die weißen Vertreter der selbsterklärten Rassenvorherrschaft Abstecher nach Mozambique unternahmen, um sich dort Frauen zu kaufen – schwarze Frauen, wohlgemerkt: „Ich erinnere mich, dass – als ich zehn, zwölf war – am Wochenende die Herren der Apartheit in ihren dicken Autos ankamen. Diejenigen, die den Kontakt zwischen Weißen und Schwarzen verboten, kamen nach Mozambique und gingen zu afrikanischen Prostituierten. In Südafrika waren sie diejenigen, die das Gesetz hochhielten, aber in Mozambique waren alle ihre Geliebten Afrikanerinnen. Es gib in Mozambique viele junge Leute, die nie ihren Vater gesehen haben, es gibt viele Mischlingskinder.“

Amilca Ismail hat Mozambique zur Zeit des Bürgerkriegs Mitte der 80er Jahre verlassen. Sie blieb von der kruden Gewalt der Ausschreitungen zwar verschont, weil sie damals in der Hauptstadt Maputo lebte, litt aber unter Lebensmittelmangel und eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Von Italien aus, wo sie heute mit ihrem Mann und vier Töchtern lebt, hat die afrikastämmige Autorin das Phänomen des Menschenhandels zu Zwecken der Zwangsprostitution in Italien genau verfolgt.

Prävention beginnt auch mit Erziehung

Ismail ist der Ansicht, dass Präventionsarbeit bereits in den Herkunftsländern der gehandelten Minderjährigen ansetzen müsse: „Denn wenn sie erst einmal in Italien sind, ist das Übel ja schon passiert und der Horror schon real. Das gilt für Afrika ebenso wie für die Länder Osteuropas oder Brasilien.“

Wenn die Lebensbedingungen Alternativen zur Prostitution erlauben, wenn junge Menschen Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven haben, sei der erste Schritt getan, um dem Phänomen vorzubeugen. In ihrem Heimatland gebe es heute solche Alternativen, so Ismail mit Blick auf die Stabilisierung des Landes seit Ende des Bürgerkrieges: „Den Hunger wie früher gibt es nicht mehr, den Leuten geht es heute sehr viel besser. Die Leute arbeiten und studieren, und heute muss man nicht seinen Körper verkaufen, um ein Kilo Zucker zu bekommen.“

Weiter plädiert die Autorin für Aufklärungsarbeit in Schulen und eine geschlechtergerechte Erziehung, die sich vor allem an Jungen und junge Männer richten sollte: Schließlich werde bereits in der Familie gelernt, wie Mädchen und Frauen wahrgenommen und behandelt werden.

(rv/global slavery index/afp 26.12.2014 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.