2014-12-26 11:04:00

Zentralafrika: „Schwere Wunden“ bei Muslimen und Christen


10.000 UNO-Blauhelmsoldaten haben vermocht, was allen Appellen von außen seit Ende 2012 nicht gelungen ist: In der Zentralafrikanischen Republik ist wieder ein bisschen Ruhe eingekehrt. Zeit, um an den Wiederaufbau zu denken und an die Wiederversöhnung. 5.000 Todesopfer hat der Konflikt, der ethnische, aber auch religiöse Farben hatte bzw. hat, gekostet, 800.000 Menschen sind Flüchtlinge geworden. Jetzt könnte es eigentlich langsam wieder aufwärts gehen, findet Erzbischof Franco Coppola, Päpstlicher Nuntius in der Hauptstadt Bangui.

„An diesen Weihnachtstagen erleben die Menschen zum ersten Mal seit drei Jahren wieder Hoffnung. Vor zwei Jahren, 2012, war Weihnachten überschattet vom Aufstand der Seleka-Rebellen und von der Invasion dieser Miliz im ganzen Land; und Weihnachten 2013 bedeutete den Anfang der Revolte der Anti-Balaka, nur ein paar Tage vor dem Heiligen Abend begannen die Zusammenstöße. Dieses Jahr ist die Lage doch deutlich besser als zuvor. Die Menschen haben die Kämpfe und diese Parteilichkeiten satt, sie wollen eine neue Seite aufschlagen und wieder zum Alltag zurückfinden. Der Aufbau der UNO-Friedenstruppe, der bis Ende März die Stärke von 12.000 Mann erreichen soll, ist in vollem Gang, und das führt dazu, dass auch die politischen Kräfte und Verantwortlichen jetzt einen Dialog am Runden Tisch über die Zukunft des Landes beginnen; daran sitzen auch die Milizen und Kräfte, die einst zu den Waffen gegriffen hatten. Zwischen Juni und Juli soll dieser Dialog vorüber sein, dann sollen Präsidenten- und Parlamentswahlen stattfinden. Die Hoffnung ist, dass von da an Leute das Sagen haben, die wirklich das Vertrauen der Bevölkerung besitzen und Zentralafrika aus dieser allzu langen Übergangsphase herausführen können.“

Coppola ist ein Diplomat, und einer aus dem Vatikan noch dazu: Darum klingt er viel hoffnungsvoller, als es der Zustand Zentralafrikas eigentlich erlaubt. In Wirklichkeit – so urteilt der Korrespondent der ‚Frankfurter Allgemeinen’ – haben Christen und Muslime im Land „nur noch ein Ziel: die jeweils andere Volksgruppe zu töten“. Trotz der UNO-Soldaten, zu denen auch die frühere Kolonialmacht Frankreich beiträgt, geht das „regelrechte Schlachten“ weiter: Der Hass ist einfach zu groß, die Übergangspräsidentin ist eine Marionette, von Norden her zieht der Tschad viele Fäden.

„Die christliche wie die islamische Gemeinschaft im Land sind schwer verwundet; die Christen wie die Anhänger der traditionellen Religionen haben das ganze Jahr 2013 über schwere Verfolgungen und Massaker erlebt, und danach wurde dann das ganze Jahr 2014 über die muslimische Gemeinschaft schwer getroffen. Das war ja kein Zusammenprall von Armeen, sondern Gewalt gegenüber Unbewaffneten. Die Menschen sind verwundet, und auch wenn viele jetzt gerne eine neue Seite aufschlagen würden, so nähren doch auch einige Politiker den Wunsch nach Rache, was den Konflikt weiter am Leben hält. Ich sage trotzdem: Schauen wir mit Hoffnung in die Zukunft! Auch wenn der Weg noch steinig wird, ich glaube doch, dass die landesweite Befriedung möglich ist. Die Kirche tut jedenfalls sehr viel dafür. In den letzten Wochen hat der Erzbischof der Hauptstadt die Milizen-Camps beider Seiten mit einer Caritasgruppe zusammen besucht, konkrete Hilfe und Nahrung gebracht, Ärzte und Krankenpfleger haben sich um die Kranken und Verwundeten gekümmert. Die Kirche arbeitet für die innere Versöhnung in diesem Land.“

Der FAZ-Korrespondent hat da auch anderes gehört: „Alle Muslime müssen weg“, sagt ihm der Anführer einer marodierenden christlichen Miliz. Nachfrage: Ob er damit alle muslimischen Rebellen, also die Seleka, meine? Antwort: „Nein, alle Muslime.“

(rv/faz 26.12.2014 sk)








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