2014-12-24 11:43:00

Vor 25 Jahren: Blutiger Umsturz in Rumänien


Als vor 25 Jahren reihenweise Mauern und kommunistische Systeme einstürzten, blieb das alles weitgehend friedlich. Mit einer Ausnahme: Rumänien. Dort kostete der Umsturz über 1.000 Todesopfer, und am Ersten Weihnachtstag wurden auch der Diktator Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena hingerichtet.

Bis heute streiten sich die Historiker, wie die Dezemberwirren in Rumänien vor genau einem Vierteljahrhundert eingeordnet werden sollen: als Volksaufstand? Oder eher als Putsch von Teilen der Führung und dem Geheimdienst gegen Ceausescu? Fest steht nur, dass die Revolution, wenn sie denn eine war, am 16. Dezember mit Protesten der Anhänger des ungarischen Pastors Laszlo Tökes in Temeschwar begann und dann schnell wuchs. Am 18. Dezember wurden 65 tote Zivilisten gezählt, mehr als 200 waren verletzt, etwa 700 verhaftet worden. Ceausescu selbst hatte den Einsatz von Schusswaffen angeordnet.

Mittwoch, 20. Dezember 1989: Johannes Paul II. äußert sich in seiner letzten Generalaudienz vor Weihnachten beunruhigt über die Vorgänge in Rumänien. Protestzüge sind jetzt auch durch Kronstadt, Hermannstadt, Klausenburg und einige kleinere Städte gezogen. „Mit tiefem Schmerz haben wir alle von den Toten und Verletzten in einigen Städten Rumäniens erfahren. Ich beklage und verurteile jede Gewalt gegen unbewaffnete Bürger, und ich bete zum Herrn: Möge er die Seelen dieser Opfer in seinem Frieden aufnehmen! Sie starben, kurz bevor die christliche Welt die Geburt des Friedensfürsten feiert. Ich will auch alle Verletzten trösten und alle Familien, die jetzt schwere Stunden durchmachen, und ich wünsche allen Bürgern Rumäniens ein harmonisches Zusammenleben zwischen seinen ethnischen Komponenten. Das wird dem Volk erlauben, friedlich von den Menschen-, Bürger- und religiösen Rechten Gebrauch zu machen und seine Grundrechte zu bewahren. Gott segne Rumänien!“

Die Angst des Papstes vor weiterer Gewalt kommt nicht von ungefähr. Einen Tag später schlägt auf einer Demo in Bukarest, die eigentlich das Regime organisiert hat, die Stimmung auf einmal um; der Diktator wird von Sprechchören unterbrochen, Kämpfe brechen aus, fast fünfzig Zivilisten kommen ums Leben. Von Anfang an bei den Protesten dabei ist Wilhelm Danca, damals Pfarrer in Bukarest, heute Dekan der dortigen Theologischen Fakultät:

„Ich erinnere mich daran, dass nachts auf den großen Straßen sämtliche Lichter brannten – sowas hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Es herrschte eine seltsame Stimmung aus Angst, Misstrauen allen anderen gegenüber, man hörte Schüsse fallen und Panzer rollen. Die Leute versammelten sich spontan zu Protesten; die Behörden hatten Angst vor dem Volk und versuchten alles, um es zum Zuhause bleiben zu bewegen. Aber die Menschen trafen sich nur umso demonstrativer und riefen Parolen gegen das Regime, und zwar mitten in Bukarest.“

In der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember kündigt Ceausescu an, er werde die Lebensbedingungen der Menschen verbessern. Aber da ist es längst zu spät: Der Verteidigungsminister begeht Selbstmord, die Truppen, die das Gebäude des Zentralkomitees umstellt haben, ziehen auf einmal auf Geheiß des neuen Verteidigungsministers ab, erste Demonstranten dringen in das Gebäude ein.

„An diesem Morgen waren Tausende von Menschen auf den Straßen; ich war auch da und hatte einen Weihnachtsbaum mit mir, den ich eigentlich einem älteren Priester bringen sollte. Die Leute formierten sich auf einmal hinter mir, als ich durch die Straßen ging, so dass ich wie der Anführer wirkte, das war aber Zufall. So kamen wir vor den Sitz der kommunistischen Partei, hörten die letzten Versprechungen Ceausescus, wir waren nur hundert Meter von ihm entfernt, und direkt danach ist er dann auf das Dach des Palastes gegangen und von dort mit dem Hubschrauber abgeflogen. Wir sind den ganzen Tag dageblieben und haben gerufen: ‚Nieder mit dem kommunistischen Regime! Nieder mit dem Diktator!’ Es war eine Mischung aus Erwartung und Hoffnung – obwohl, eigentlich hatte man gar nicht den Mut, irgendwas zu hoffen, wir hatten große Angst.“

An diesem 22. Dezember haben die Armee und der Geheimdienst Securitate Ceausescu aufgegeben. Sie bringen ihn in eine Kaserne und machen ihm und seiner Frau am 25. Dezember einen Scheinprozess, der mit ihrer Hinrichtung endet. Die Bilder davon verbreitet das neu-alte Regime sofort im Fernsehen: Das kommunistische Regime ist gestürzt, es lebe das kommunistische Regime.

„Ich muss allerdings sagen: Trotz aller Grausamkeiten Ceausescus gegen sein eigenes Volk waren die Menschen nicht froh über die Art und Weise, wie er ums Leben kam. Als die ersten Bilder von seiner Erschießung die Runde machten, sagten viele: ‚Das waren wir nicht, wir haben das nicht getan, wir sind nicht für so eine radikale Maßnahme. Natürlich musste er bezahlen, das stimmt – aber doch nicht so!’“

Das Tribunal gegen den gestürzten Diktator hatte, wie ein Dissident im Exil (Paul Goma) formulierte, „das außerordentliche, unerhörte und unverdiente Kunststück fertiggebracht, die Ceausescus in menschliche Wesen zu verwandeln“. Pater Wilhelm Danca hat erst lange im Nachhinein vom Appell des Papstes für Rumänien erfahren:

„Wir hatten damals ja gar keine Verbindung mit der freien Welt! Ich konnte manchmal heimlich Radio Vatikan hören, das war alles. Diese Tage waren so ein Durcheinander, dass ich gar nicht zum Fernsehschauen oder Radiohören gekommen bin, ich war – wie viele andere – den ganzen Tag auf der Straße, mit den Leuten aus meiner Pfarrei. Aber als dann später die Worte des Papstes bekannt wurden, hatten sie ein sehr, sehr starkes Echo. Man fühlte sich auch darin bestätigt, dass die Kirche – die Kirchen – eine wichtige Rolle im Widerstand gegen das kommunistische Unrechtssystem gespielt haben. Die Kirche hatte eine Art spirituellen Widerstand hinbekommen, in den das Regime nie hineinkam: Sie konnten nicht kontrollieren, was in den Seelen der Menschen vorging.“

(rv/faz 24.12.2014 sk)








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