2014-12-05 11:26:00

Ägypten: Hochrangige Konferenz gegen Islamismus


„Die Konferenz gegen islamischen Terrorismus und Extremismus, die die al-Azhar-Universität von Kairo organisiert hat, ist von großer historischer Tragweite. Aber ich weiß nicht, ob das jemand im Westen gemerkt hat.“ Das sagt der katholisch-koptische Bischof von Gizeh, Antonios Aziz Mina. 700 Delegierte aus 120 Ländern nahmen an der Konferenz an der wichtigsten Lehrstätte des sunnitischen Islams teil: Noch nie ist der Islamismus auf so hohem Niveau und so deutlich verurteilt worden.

 

Der Comboni-Missionar Giuseppe Scattolin, ein Experte für islamische Mystik, hat als Gast an der Konferenz von Kairo teilgenommen. Er sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:

 

„al-Azhar will sich von der extremistischen Interpretation des Islam absetzen, indem es sich als Stimme des moderaten Islam profiliert. Die Ansprachen auf der Konferenz zielten deshalb darauf, einige grundlegende Begriffe, die von diesen Terroristen benutzt werden, richtig zu interpretieren. Beispiel: der Begriff Dschihad. Die Konferenz hat herausgearbeitet, dass es verschiedene Arten von Dschihad gibt und dass die Terroristen Dschihad falsch deuten. Dasselbe gilt für den Begriff Islamischer Staat. Die genaue Interpretation der Begriffe ist wichtig, weil natürlich viele Muslime, wenn sie Koranverse oder Aussprüche des Propheten hören, denken, das müsse man jetzt wortwörtlich so in die Tat umsetzen.“

 

„Es ist das erste Mal, das eine derart einflussreiche islamische Organisation die Theorien der Terroristen und Extremisten erörtert, unter deren Vorwand Gewalt gerechtfertigt wird“, sagt der koptische Bischof Mina. Sein Enthusiasmus hängt vielleicht auch damit zusammen, dass auch der koptisch-orthodoxe Patriarch Tawadros II. eingeladen war, zu den Teilnehmern zu sprechen. Tawadros zeichnete, wie auch der Großimam der al-Azhar al-Tayyeb, den Islam als Religion der Mäßigung und Toleranz. Pater Scattolin dazu:

 

„Man will auf ein gewisses Ideal der Koexistenz hindeuten“

 

„Das mit der Mäßigung und Toleranz ist gar nicht so neu. Der Islam hat sich immer der Tatsache gerühmt, dass Christen und Juden in der islamischen Gesellschaft einen juridisch anerkannten Platz haben und also prinzipiell nicht verfolgt werden. Andererseits haben natürlich andere Gruppen, etwa Heiden, Atheisten, Nichtglaubende usw., kein Existenzrecht in einer islamischen Gesellschaft. Hier gibt es auch einen diplomatischen Aspekt: Man will auf ein gewisses Ideal der friedlichen Koexistenz zwischen Muslimen und Christen hindeuten. Darum ist es klar, dass sich sowohl der Scheich von al-Azhar als auch der koptische Papst Tawadros darum bemüht haben, vor allem die Konvergenzen herauszuarbeiten.“

 

Bislang seien muslimische Verurteilungen des Islamismus immer eher „schüchtern“ ausgefallen, so der koptisch-katholische Bischof Mina. Jetzt in Kairo aber werde „eine ganze Ideologie verurteilt“, das sei „ein wichtiger Schritt“, von dem er sich „konkrete Ergebnisse“ erhoffe. Pater Scattolin klingt da etwas verhaltener:

 

„Es wird schon etwas Positives herauskommen, schließlich waren hier die großen islamischen Autoritäten der Welt anwesend, Vertreter aller Kontinente. Eine solche offizielle Wortmeldung, die diese Art des Islam verurteilt, müsste die Gemäßigten stärken, die Toleranz und das friedliche Zusammenleben von Christen, Muslimen und allen anderen Gruppen.“

 

„Gewaltfrage stellt sich auch künftig“

 

Doch Scattolin macht klar, dass er die Arbeit auf islamischer Seite noch lange nicht für abgeschlossen hält. So müsse man auch künftig fragen, woher eigentlich die gewalttätige Tendenz in Teilen des Islam komme, und warum sie solchen Erfolg habe.

 

„Das ist die alte Frage, die sich immer wieder stellt. Wenn es diese Gewalt gibt – leitet sie sich dann aus der Kernbotschaft des Islam selbst her? Oder ist sie ein Element, das irgendwie im Lauf der Geschichte, durch historische Umstände, in den Islam hineingeraten ist, so dass der Islam es auch zurückweisen kann, so wie es das Christentum getan hat? Ich glaube, dass eine historische Selbstkritik des Islams unvermeidlich ist. Wie es Papst Johannes Paul II. während des Heiligen Jahres 2000 für das Christentum getan hat, als er die von Christen verübte Gewalt bekannte, so müsste sich auch der Islam zu einer Stellungnahme dieser Art durchringen. Beim Thema Gewalt ist, historisch gesehen, keiner unschuldig. Und die einzig wahre Position ist die, die begangene Gewalt anzuerkennen, einzugestehen und die Gewalt dann explizit zu verurteilen.“

 

Pater Scattolin hat im Libanon, im Sudan und in Ägypten gearbeitet. Er unterrichtet an der Päpstlichen Universität Gregoriana, am Päpstlichen Institut für Islamwissenschaften ‚Pisai’ und am ‚Dar Comboni’ in Kairo.

 

(rv/fides 05.12.2014 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.