2014-12-04 14:30:00

Indien: „Viel Aktionismus rund um das Drama von Bhopal“


Es war der schwerste Industrie-Unfall der Geschichte: Vor dreißig Jahren trat aus einer Pestizide-Fabrik im indischen Bhopal giftiges Gas aus, über 3.700 Menschen starben. Im Lauf der drei Jahrzehnte stieg die Zahl der Toten, die sich mit dem Gift in Zusammenhang bringen lässt, auf über 15.000 Menschen; mehr als 600.000 Menschen haben bleibende Schäden davon getragen, auch heute noch sind viele Kinder in Bhopal von Geburt an behindert. 

Leo Cornelio ist der Erzbischof von Bhopal. Er sagte im Gespräch mit uns:

„Die Kirche hat sich von Anfang an sehr um Hilfe für die Betroffenen in der Stadt bemüht. Mein Vorgänger, der damalige Erzbischof Eugene D´Souza, mobilisierte Ordensleute, Priester und Laien, dazu viele Freiwillige, die sich um die Kranken und Sterbenden nach dem Desaster kümmerten. Damals wurden Lager für die Aufnahme der Betroffenen eingerichtet, medizinische Zentren, vor allem im Hauptbahnhof und rund um die Fabrik, es wurde Essen ausgegeben – alles sehr organisiert.“

Die Bilder von damals kann man sich heute kaum noch vorstellen. Cornelio selbst war damals Provinzial der Steyler-Missionare in Indore (Zentralindien), nur vier Zugstunden von Bhopal entfernt. Er erinnert sich:

„Die Toten gingen in die Tausende! Und noch viele weitere Tausende hatten viele Jahre lang Atemprobleme und ähnliche Leiden. Noch heute tragen die Kinder dieser Menschen die Konsequenzen, und noch heute leistet die Kirche Hilfe und Unterstützung. Wir haben mittlerweile ein soziales Werk, das von Laien und Ordensleuten betrieben wird, sowie vier Schulzentren für behinderte Kinder. Einige von ihnen haben Probleme mit dem Sprechen, andere haben Atemschwierigkeiten, andere hören nicht usw., es sind Hunderte von Kindern. Viele sagen, dass es wegen dieser Gastragödie vor dreißig Jahren heute so viele behinderte Kinder in Bhopal gibt.“

Der Erzbischof formuliert da sehr vorsichtig. Er weiß, wie hoch die Emotionen rund um den dreißigsten Jahrestag schlagen, mit Demonstrationen und viel Medienaufmerksamkeit.

„Es stimmt, die Gefühle sind noch sehr stark –aber das Problem ist, dass es noch viel Verwirrung gibt rund um diese ganze Geschichte. Die Betroffenen sind nicht angemessen entschädigt worden; die ganze Tragödie ist politisch instrumentalisiert worden, und besonders bei einem solchen Jahrestag gibt es immer viel Aktionismus. Zum Beispiel ist heute Abend eine Filmpremiere über die Tragödie von Bhopal, und ich bin dazu eingeladen; man sagt, dass auch der Ministerpräsident kommen wird. Viel Aufmerksamkeit also einerseits, aber andererseits keine angemessene Entschädigung noch irgendeine Hilfe für die tatsächlich Betroffenen. Man hat immer wieder Geld versprochen, aber vielleicht hat dieses Geld dann andere Wege genommen...“

(rv 04.12.2014 sk)








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