2014-11-30 14:22:00

Papst Franziskus: „Echter Dialog ist immer Begegnung“


Höhepunkt der Reise Papst Franziskus’ in die Türkei war an diesem Sonntag die Feier der Göttlichen Liturgie zu Ehren des Apostels Andreas, des Patrons des Patriarchats von Istanbul. Der Papst nahm als Gast des Patriarchen Bartholomaios teil, der auch der dreistündigen Liturgie in der Georgskirche vorstand. In seiner Ansprache nannte der Papst es eine Gnade, auf diese Weise gemeinsam feiern zu können. „Sich begegnen, gegenseitig das Gesicht sehen, einander den Friedenskuss geben, füreinander beten, das sind wesentliche Dimensionen auf dem Weg zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft, die wir anstreben“, so der Papst. „Ein echter Dialog ist immer eine Begegnung zwischen Menschen mit einem Namen, einem Gesicht, einer Geschichte und nicht nur eine Auseinandersetzung von Ideen. Dies gilt vor allem für uns Christen.“

 

Das Beispiel des heiligen Andreas, der dem Ruf Jesu unmittelbar gefolgt sei, zeige, „dass das christliche Leben eine persönliche Erfahrung ist, eine verwandelnde Begegnung mit dem, der uns liebt und uns erlösen will“, so der Papst.

 

Ein gemeinsames Anliegen sei das der Einheit, Papst Franziskus wies in diesem Zusammenhang auf das Ökumene-Dekret des Zweiten Vatikanums hin, das Türen für den gegenseitigen Respekt geöffnet habe. Einheit bedeute nicht, „einander zu unterwerfen noch einzuverleiben, sondern vielmehr alle Gaben anzunehmen, die Gott jedem gegeben hat“, so Franziskus. Er halte es für wichtig, „die Beachtung dieses Grundsatzes als eine wesentliche und gegenseitige Voraussetzung für die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zu betonen“.  

 

„Jedem von Ihnen möchte ich versichern, dass die katholische Kirche, um das ersehnte Ziel der vollen Einheit zu erreichen, nicht beabsichtigt, irgendeine Forderung aufzuerlegen als die, den gemeinsamen Glauben zu bekennen“.  Diese Worte des Papstes deuteten an, dass Rom für eine Einheit mit den orthodoxen Christen keine Übernahme von Formen und Positionen erwartet, die sich erst nach dem Großen Schisma von 1054 ergeben haben. Seinen Primat als römischer Bischof beschrieb Franziskus mit einem frühchristlichen Ausdruck ‚Vorsitz in der Liebe’, der auch für orthodoxe Christen akzeptabel ist. Diese Formulierung hatte er schon in seiner ersten Ansprache unmittelbar nach seiner Wahl zum Papst im März 2013 benutzt.

 


„Die Stimme der Armen und der Opfer von Kriegen hören“

Franziskus fuhr fort, dass es heute viele Stimmen gebe, die die Kirchen zur Christusnachfolge „bis zum Äußersten“ aufrufen. Die erste Stimme sei die der Armen, „Angesichts der Stimmen dieser Brüder und Schwestern können wir nicht gleichgültig bleiben“. Außerdem gelte es, „im Licht des Evangeliums gegen die strukturellen Ursachen von Armut zu kämpfen“ und gegen die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. Eine zweite Stimme, die „laut schreit“, ist nach Darstellung des Papstes die Stimme der Opfer von Konflikten und Kriegen, so wie derzeit in Syrien und dem Irak. Das sei sowohl ein Ruf zur Solidarität als auch ein Ruf zur Einheit:

 

„Von hier hören wir diese Stimme sehr deutlich erschallen, weil einige Nachbarländer von einem grausamen und unmenschlichen Krieg gezeichnet sind. Den Frieden eines Volkes erschüttern, jegliche Art von Gewalt insbesondere an Schwachen und Wehrlosen zu begehen oder zu erlauben, ist eine sehr schwere Sünde gegen Gott, weil es bedeutet, das Bild Gottes im Menschen nicht zu achten. Die Stimme der Opfer der Konflikte drängt uns, zügig auf den Weg der Versöhnung und der Gemeinschaft zwischen Katholiken und Orthodoxen weiterzugehen. Wie können wir im Übrigen glaubwürdig die Botschaft des Friedens verkünden, der von Christus kommt, wenn es zwischen uns weiterhin Rivalität und Streitigkeiten gibt?“

 

Franziskus erinnerte auch an die muslimischen Opfer der jüngsten Terrorakte in Nigeria, wo Boko Haram eine Moschee attackiert hatte. Eine dritte Stimme, die die Kirchen herausfordere, sei die der Jugend. Leider gebe es heute „viele Jugendliche, die ohne Hoffnung leben, entmutigt durch Misstrauen und Resignation“. 

 

„Wir sind schon auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft“

„Die neuen Generationen werden nie die wahre Weisheit erwerben und die Hoffnung lebendig erhalten können, wenn wir nicht in der Lage sind, den authentischen Humanismus zu erschließen und zu vermitteln, der aus dem Evangelium und der tausendjährigen Erfahrung der Kirche hervorgeht. Gerade die Jugendlichen – ich denke zum Beispiel an die Scharen von jungen Orthodoxen, Katholiken und Protestanten, die sich auf den von der Gemeinschaft von Taizé organisierten internationalen Treffen begegnen – fordern uns heute auf, Fortschritte zur vollen Gemeinschaft hin zu machen.“

 

Es gehe nicht darum, die „Bedeutung der Unterschiede, die uns noch trennen, zu ignorieren“, sondern darum, den Blick umzukehren und „weiter zu sehen“: damit „das Wesentliche, das uns schon eint“, in den Blick kommt. „Eure Heiligkeit, wir sind schon auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft und können schon deutliche Zeichen einer echten, wenn auch noch teilweisen Einheit leben. Das stärkt und unterstützt uns, auf diesem Weg weiter zu schreiten“, so Franziskus abschließend.

 

Es war bereits das vierte Mal in diesem Jahr, dass der Papst und der Patriarch sich begegneten: im Mai in Jerusalem, im Juni zum Friedensgebet mit den Präsidenten Israels und Palästinas in den Vatikanischen Gärten, am 29. Juni zum römischen Patronatsfest Peter und Paul im Vatikan und nun in Istanbul. 

 

(rv 30.11.2014 ord/sk)








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