Papst Franziskus besucht in Ankara an diesem Freitag das staatliche Religionsamt. Das Diyanet ist die höchste religiöse Autorität des sunnitischen Islam in der Türkei und zugleich die Behörde, die alle Glaubensfragen regelt. Mehr dazu von Anne Preckel.
Freitag in Istanbul, Zeit fürs Gebet: Männer und Frauen versammeln sich in den Moscheen,
die Rücken gebeugt Richtung Mekka. Beten, mehrmals am Tag, besonders am Freitag, wenn
der Imam aus dem Koran rezitiert und die Freitagspredigt gehalten wird. Diese Predigt,
auf Türkisch „Sermon“, ist in allen türkischen Moscheen im Großen und Ganzen gleich.
Dafür sorgt das staatliche Religionsamt des Landes „Diyanet“. Die riesige Behörde
ist Sitz des Zentralrates, der höchsten religiösen Autorität des sunnitischen Islam
in der Türkei. Hier werden theologische Rechtsgutachten verfasst, Lehrbücher für den
Religionsunterricht geschrieben und Pilgerreisen nach Mekka organisiert.
„Das Diyanet ist eine staatliche Institution, die gegründet wurde, um die islamische
Religion zu kontrollieren“, erklärt Mustafa Cenap Aydin. Der gebürtige Istanbuler
ist Muslim und hat in Rom ein türkisches Kulturinstitut mitbegründet. Als der türkische
Staatsgründer Atatürk die Behörde 1924 ins Leben rief, habe er eine staatliche Abteilung
gewollt, die sich um alle religiösen Belange kümmern sollte. Bis heute ist das Diyanet
für eine staatstreue Auslegung des Islam in allen Moscheen der Türkei zuständig: „Zum
Beispiel gibt es jeden Freitag den Sermon in den Moscheen; der Direktor des Religionsamtes
schickt an die bis zu 100.000 Moscheen im Land den Text dieser Predigt.“
Predigten für das Ausland
Das „Präsidium für Religionsangelegenheiten“, wie das Diyanet offiziell heißt, kontrolliert nicht nur die Religionsausübung in der Türkei, sondern auch im Ausland. So werden auch die Gebetstexte für Deutschland, wo es eine große türkische Gemeinde gibt, über den türkischen Kooperationspartner DITIP - „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ – von Ankara abgesegnet.
Das türkische Religionsamt ist zugleich ein riesiger Arbeitgeber: Alle islamischen Rechtsgelehrten und Imame sind Angestellte des türkischen Staates, sozusagen „verbeamtete Theologen“, berichtet Mustafa Aydin: „Das Zentrum, also der Zentralrat, ist in Ankara, aber in jeder türkischen Stadt gibt es einen Müftü, der für den Staat arbeitet. Der Direktor des Diyanet ist Chef von allen Müftüs und Imamen in der Türkei.“
Arbeitgeber der Imame
Für die türkischen Diaspora-Gemeinden entsendet das Diyanet Geistliche ins Ausland. Der ehemalige Leiter des Religionsamtes, Ali Bardakoglu, soll sich besonders dafür eingesetzt haben, dass türkische Imame, die nach Deutschland gingen, auch gut Deutsch sprachen und das neue Land gut kannten. Mehmet Görmez, der das Religionsamt seit Ende 2010 leitet, gilt als Reformer. Die Imame sollen die Ansagen der Zentrale in Ankara zwar weitergeben, sie aber selber predigen, schlug der Mufti und Universitätsprofessor zum Beispiel vor.
Der staatliche Zentralismus in religiösen Belangen werde in der Türkei heute zum Teil
etwas flexibler gehandhabt, beobachtet Mustafa Cenap Aydin: „Bis 2006 war alles gleich.
Jetzt ist es ein wenig ,freier Markt‘, sozusagen. Das hat auch mit der Sprache zu
tun. Zum Beispiel spricht man in den östlichen Städten der Türkei häufig Kurdisch,
predigt aber auf Türkisch. Die Leute, die in die Moscheen gehen, verstehen nicht so
gut Türkisch, müssen aber alles auf Türkisch hören.“ Hier sei man auf dem Weg sprachlicher
Anpassungen, deutet Aydin an – wenn auch die staatstreue Auslegung der Religion nach
wie vor einzuhalten sei.
Schutzschild vor Extremismen
Schließlich begreift man die Institution auch als Wächter des „rechten Islam“ und Schutzschild vor Extremismen. Das wird angesichts der Übergriffe des „Islamischen Staates“ im angrenzenden Syrien und Infiltrationen in der Türkei derzeit wieder gerne betont. Mehmet Görmez hatte vor dem Papstbesuch angekündigt, mit Franziskus auch darüber sprechen zu wollen, welche Folgen der Extremismus „im Namen des Islam“ auch für die islamische Weltgemeinschaft hat – er schüre auch Islamophobie und Misstrauen gegenüber dem Islam, hatte der Leiter des Religionsamtes betont.
(rv 27.11.2014 pr)
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