2014-11-27 16:19:00

Themen der Türkeireise des Papstes: Ökumene, Religionsdialog, Syrien


Papst Franziskus bricht am Freitagmorgen zu seiner sechsten internationalen Reise auf. In der Türkei wird er Ankara und Istanbul besuchen, trifft Vertreter der Politik, Religion und Zivilgesellschaft. Die Begegnungen mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. sind der offizielle Anlass der Reise. Ein Vorgeschmack auf die Visite von unserer Korrespondentin in Istanbul, Anne Preckel.

Offizieller Anlass der Reise ist die Ökumene: Was ist diesbezüglich zu erwarten?
 
„Es festigt sich der Eindruck, dass diesem Papst das Gespräch mit seinem orthodoxen „Bruder“ besonders am Herzen liegt. In nur wenigen Monaten haben sich die beiden mehrfach gesehen: Bartholomaios I. kam zu Franziskus‘ Amtseinführung nach Rom, ein historisches Ereignis und seit dem großen Schisma nie vorkommen, dass ein Patriarch zur Amtseinführung eines Papstes Rom kam. Bartholomaios kam auch zum Friedensgebet in die Vatikanischen Gärten, zu dem Franziskus die Präsidenten Israels und Palästinas einlud. Schließlich gab es die herzliche Umarmung der beiden in Jerusalem, dem Beispiel Paul VI. und Patriarch Athenagoras folgend, wo sie ihren Willen zur Annäherung zu Papier brachten. Franziskus knüpft in der Türkei nahtlos daran an, er kommt zum orthodoxen Andreasfest ins damalige „Konstantinopel“, und auch hier wird es wie im Heiligen Land eine ökumenische Erklärung beider Kirchenvertreter geben.

Soweit der offizielle Rahmen, soweit der Dialog der beiden Kirchen, vorangetrieben durch Paul VI., Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus sowie die orthodoxen Patriarchen Athenagoras und Bartholomaios. Bedeutungsvolle Gesten an historisch bedeutsamen Orten. Für so manchen Gläubigen ist das hier vielleicht nicht fremd, aber scheint doch etwas abstrakt: Warum kommt er nur für ein paar Stunden zu uns? – wurde hier etwa von der katholischen Gemeinschaft gefragt. Vielleicht tröstet es da ein bisschen, dass Papst und Patriarch – und da sind sie sich ähnlich – dem Dialog eine persönliche Note geben: Die beiden und ihr herzliches Verhältnis, deutete zuletzt Bartholomaios I. an, überflügeln im Augenblick den viel langsamer laufenden theologischen Dialog. Einen Dialog, der auch teilweise stockt – zuletzt sahen wir das im September in Amman, wo es in der Frage des Primates vor allem Divergenzen innerhalb der orthodoxen Welt gab.“

Auf was für eine Kirche trifft der Papst in der Türkei?

„Die Christen sind in der Türkei eine absolute Minderheit. Katholiken gibt es heute um die 50.000, das ist nicht mal ein Prozent der Gesamtbevölkerung mit 97 Prozent Muslimen. Die armenisch-apostolische Kirche ist zahlenmäßig die größte christliche Gemeinschaft, die Griechen machen nur etwa 2.000 Gläubige aus, haben aber natürlich im Ökumenischen Patriarchat in Istanbul ihr, wenn man so will, „weltkirchliches Zentrum“. „Wir sind hier in gewisser Weise alle Ausländer“, sagte uns hier der lateinische Vikar von Istanbul, Louis Pelatre, lokalen Klerus und Berufungen gebe es kaum, gerade einmal vier Seminaristen bereiten sich aktuell auf die Priesterweihe vor. Ein Merkmal der katholischen Kirche ist im Augenblick allerdings die große Zahl der Einwanderer, von den Philippinen, aus Korea, auch aus verschiedenen afrikanischen Ländern, welche die Gemeinden hier neu beleben. So dürfte die Zahl der Katholiken hier noch höher liegen, sagen wir bis zu 53.000.“

Der Türkei-Besuch von Papst Franziskus am Wochenende soll laut Vatikan den Christen in der Türkei den Rücken stärken. Wie ist das zu verstehen?

„Nun ja, abgesehen von der Minderheitensituation gibt es natürlich für die Christen und überhaupt für alle Religionsgemeinschaften im laizistischen Staat ein Paar Stolpersteine, wenn sich ihre Lage insgesamt auch verbessert haben dürfte. Problem nicht nur für die Christen ist der fehlende rechtliche Status dieser Gemeinschaften, was verschiedene praktische Hürden mit sich bringt, wenn es um Kirchenbau und Nutzung geht. Die orthodoxe Kirche hat insbesondere ein Problem mit dem geistlichen Nachwuchs auf dem Gebiet der Türkei, das Priesterseminar von Chalki ist seit vier Jahrzehnten zu, und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel wird als solcher staatlich nicht anerkannt, weil man offenbar Angst hat, dass damit ausländische Machtansprüche auf dem Gebiet der Türkei verbunden sein könnten. Insgesamt, das muss man schon festhalten, haben die religiösen und nationalen Minderheiten aber mit der seit 2002 regierenden AKP Erdogans ein weitaus besseres „Standing“ als zuvor. Was sich unter anderem an der Rückgabe von Kirchenbesitz, Dialogtreffen zwischen Religiösen und Politikern, Ermutigung zur religiösen Praxis u.ä. zeigt.“

Ein weiteres Schwerpunktthemen des Türkei-Besuchs soll der interreligiöse Dialog sein, und man will auch einen Impuls geben, den Missbrauch der Religion im Namen Gottes zu verurteilen, sagte Kardinalstaatssekretär Parolin.

„In dieser Frage wird vom Papst sicher Klartext zu erwarten sein, schließlich tobt an der syrischen Grenze zur Türkei ein blutiger Konflikt, immer mehr Flüchtlinge aus dem Irak und den Bürgerkriegsgebieten kommen her und zuletzt war auch davon die Rede, dass der Islamische Staat auf türkischem Staatsgebiet neue Anhänger sucht. Solche Rekrutierungen will die türkische Führung hier nicht bestätigen, offizielle Vertreter unterstreichen vielmehr den Einsatz der Türkei gegen den Terror und sehen im Papstbesuch auch eine Gelegenheit, das noch einmal deutlich zu machen. Wenn wir daran denken, dass der Heilige Stuhl zuletzt den Islamischen Staat aufs Schärfste verurteilt hat, es gab da ja eine ungewöhnlich deutliche Stellungnahme des Rates für Interreligiösen Dialog, kann man davon ausgehen, das auch hier deutliche Worte gesprochen werden, ob hinter verschlossenen Türen oder in einer Papstrede, das steht freilich offen. Geopolitisch und als muslimisches Land spielt die Türkei in der gesamten Region natürlich eine wichtige Rolle, das ist nicht von der Hand zu weisen, welche außenpolitischen Interessen hier von türkischer Seite mit hineinspielen, ist allerdings schwer zu durchschauen.

Ein Wort zum interreligiösen Dialog: Als Benedikt XVI. 2006 herkam, war ja so Manchem mulmig, kurz vorher hatte er mit seiner Regensburger Rede die muslimische Welt aufgewühlt. Am Ende war doch alles recht harmonisch, Benedikt besuchte zum ersten Mal als Papst eine Moschee, ein recht kurzfristig eingefügter Programmpunkt, er zog die Schuhe aus, wie sich das gehört, und meditierte in dem Bethaus Seite an Seite mit dem Muslim Ali Bardakoglu, dem damaligen Präsidenten des Amtes für Religionsangelegenheiten. Auch Franziskus wird am Samstag ja die Blaue Moschee besuchen, wie sich sein Kontakt zur muslimischen Welt gestalten wird, steht zu diesem Zeitpunkt noch offen.“
 
(rv 27.11.2014 pr)








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