Ukraine: „Putin kann Rad der Zeit nicht zurückdrehen“
Neue Gefechte in Donezk
und religiöse Verfolgung auf der Krim: Die Lage im Südosten der Ukraine bleibt angespannt.
Trotz Gesprächen und Friedensabkommen scheint sich die Lage nicht sonderlich verbessert
zu haben. Der Krieg in der Ostukraine betrifft immer mehr auch die ökumenischen Beziehungen
und Gespräche, auch in anderen Ländern, die eine ähnliche Situation wie in der Ukraine
befürchten. Dies gelte beispielsweise in den skandinavischen Ländern, wie Jesuitenpater
Christoph Hermann gegenüber Radio Vatikan sagt. Hermann arbeitet beim katholischen
Newman-Institut im schwedischen Uppsala und ist Mitglied der skandinavischen Kommission
für den Dialog von Katholiken und Orthodoxen. Der Jesuit hat auch ukrainische Vorfahren
und kennt sich persönlich gut aus mit der aktuellen Situation in dem osteuropäischen
Land. Es sei bedenklich, dass westeuropäische Staaten die Ukraine nicht mehr unterstützten,
so der Geistliche:
„Andererseits gibt es in der ukrainischen Bevölkerung
eine Enttäuschung, weil sie sich sagt, dass sie für die Freiheit gekämpft hat und
für all das, wofür Europa eigentlich steht. Doch diese europäischen Länder seien nicht
bereit, die Ukrainer zu unterstützen, damit das Land in jene Sphäre der Freiheit und
Würde hineinkommen kann...“
Auf der Krim werden mittlerweile katholische
Priester ausgewiesen bzw. erhalten von der russischen Führung dort keine Aufenthaltsbewilligung.
Nicht-orthodoxe Geistliche werden in der Donbass-Region gezielt angegriffen und vertrieben.
Dahinter stecke aber nicht ein religiöser Konflikt, so Hermann. Es gehe vielmehr darum,
dass Russland eine Art „neue Sowjetunion“ aufbauen wolle.
„Ich glaube aber,
dass es für Wladimir Putin sehr schwer sein wird, das Rad der Zeit zurückzudrehen.
Nach der Orangenen Revolution (des Jahres 2004, Anm. d. Red.) war es ja so, dass sich
die Reformkräfte in der Ukraine nicht wirklich durchsetzen konnten. Auch die neuen
Politiker waren korrupt bzw. in das alte System verwickelt. Mit der Maidan-Revolution
ging es darum, dass die Leute es einfach nicht mehr ertragen konnten, dass eine kleine
Gruppe von Oligarchen in Überfluss lebt, während die Bevölkerung völlig arm ist. Deshalb
gab es auch von Seiten der Kirchen Unterstützung.“
25 Jahre nach dem Berliner
Mauerfall sind gerade in den ehemaligen Ostblock-Ländern noch etliche Fragen offen.
„Putin
hat ja selbst gesagt, dass einer der größten Fehler, die gemacht wurden, die Auflösung
der Sowjetunion war. Beim jetzigen Konflikt geht es aber auch um russische innenpolitische
Fragen. Es gibt einen ideologischen Unterbau – Russkij Mir genannt – der von der russisch-orthodoxen
Kirche mitgetragen wird. Hinzu kommt auch die Ideologie des Eurasianismus, also dass
man sich nach Westen ausbreiten darf. Ich glaube aber, es sind innenpolitische Gründe,
die Putin bewegen. Es ist ja interessant, dass er Separatisten in der Ostukraine unterstützt
– wohingegen die Autonomiebewegung in Sibirien, die es jetzt dort gibt, sehr schnell
unterbunden wurde. Es geht also darum, Russland zusammenzuhalten und die Grenzen und
Interessenssphären zu verschieben.“