Kardinal Schönborn im Libanon: Hoffnung nicht aufgeben
Zu mehr Solidarität
mit dem Libanon hat Kardinal Christoph Schönborn die Staatengemeinschaft und die Weltkirche
aufgerufen. Die derzeitige prekäre Lage des Libanon dürfe nicht hingenommen und Hoffnung
auf Besserung nicht aufgegeben werden, betonte der Kardinal im Rahmen eines zweitägigen
Besuchs in dem Land im Interview mit Kathpress. Die zahlreichen Syrien- und Irakflüchtlinge,
die im Libanon Schutz fanden, stellen das Land vor große Herausforderungen.
„Es
gibt immer Hoffnung“, so der Wiener Erzbischof, der die Bewohner des Libanon als Zeugen
der „Kraft der Hoffnung“ beschrieb. Der extrem prekären Lage begegneten die Libanesen
mit einer großen Selbstverständlichkeit, indem sie versuchten, mit einer „schier unlösbaren
Problematik“ gut umzugehen, so Schönborn. Im Libanon sei heute „fast jeder zweite
ein Flüchtling“, was etwa so sei, „als würde Österreich drei Millionen Flüchtlinge
aufnehmen“, verdeutlichte Schönborn. Noch dazu komme, dass der Libanon selbst zwei
Jahrzehnte Bürgerkrieg hinter sich habe und nach einer Phase des Wiederaufbaus in
der regionalen Krise mit Arbeitslosigkeit und Rezession konfrontiert sei.
Der
Besuch in einem Caritas-Flüchtlingszentrum vor Ort habe ihm die „unglaublich komplexe,
schwierige und vielgestaltige Situation“ der Flüchtlinge gezeigt, so der Wiener Erzbischof
weiter. Er verwies hier u.a. auf die zuvor in den Kriegsländern lebenden Arbeitsmigranten
aus Ostasien mit „schweren Lebensschicksalen“, die neben Syrern und Irakern hier anzutreffen
seien.
Vorbildhaftes Zusammenrücken
Die Not des Bürgerkriegs
und die Flüchtlingswelle hätten die Christen der verschiedenen christlichen Konfessionen
sowie auch katholischen Riten im Libanon eindeutig zusammengebracht, stellte der Wiener
Erzbischof fest. Bei seiner Teilnahme an einer Konferenz der katholischen Patriarchen
und Bischöfe des Landes habe ihn die Selbstverständlichkeit der Zusammenarbeit verschiedener
Gruppen - darunter Maroniten, Melkiten, Vertreter des Lateinischen Ritus und Ordensleute
- beeindruckt. „Die Not hat sie zusammengebracht und ein wirkliches Miteinander aller
Christen geschaffen. Das können wir lernen“, sagte Schönborn.
Als „Lehrbeispiel“
bezeichnete der Kardinal weiter das Zusammenleben von Christen und Muslimen. Der Libanon
habe hier eine „jahrhundertelange Erfahrung - zwar mitunter eine schmerzliche, aber
eine bewährte“. Schönborn betonte, neben dem Gebet brauche der Libanon auch unmittelbare
Hilfe sowie ein Pochen auf Verbesserungen in der gesamten Region seitens der Politik.
Herausforderung für die Christen sei es, „daran zu erinnern, dass diese Situation
so nicht tolerabel ist, dass die Vereinten Nationen und die Großmächte hier ihre Verantwortung
wahrnehmen“.
Islam steht Lernprozess bevor
Die Gespräche
mit libanesischen Politikern hätten ihm die „große Hoffnung auf eine säkulare Verfassung
in den Ländern des sogenannten Arabischen Frühlings“ aufgezeigt, so der Erzbischof
weiter. Damit dies wie in Tunesien gelingen könne, müssten freilich alle beteiligten
Religionsgemeinschaften auf den Anspruch politischer Alleinbestimmung verzichten und
sich als ein Element in einem religiös pluralen Staat einfügen. Für ein „echtes
Miteinander statt nur geduldetes Nebeneinander“ habe das Christentum in intensiven
Auseinandersetzungen vergangener Jahrhunderte Wege gefunden. Für den Islam stehe dies
noch aus, „wenn er nicht mit den inneren Widersprüchen ungeheure Konflikte auslösen
soll wie wir sie im Moment erleben“, so der Kardinal. Ein moderner Staat könne in
einer pluralen Welt nicht völlig von einer einzigen Religion bestimmt werden. Schönborn:
„Der Staat muss plural sein, um den Religionen und auch denen, die keine Religion
haben, genügend Lebensraum zu geben.“
Schönborn war von Sonntag bis Dienstag
in den Libanon gereist, wo er an einer von der maronitischen Kirche veranstalteten,
hochkarätig besetzten Konferenz in Bkerke bei Beirut teilnahm. Zum Besuchsprogramm
gehörten auch Begegnungen mit Flüchtlingen, Kirchenvertretern und Politikern.