„Nein. Non.
No. Nao.“ Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Spanien, Portugal:
Wir leben in Staaten, sind in Staaten aufgewachsen, haben eine Zugehörigkeit, haben
einen Pass - und wissen gar nicht, was es heißt, „staatenlos“ zu sein. Was es heißt,
kein Zuhause zu haben, nicht zu wissen, wo man hingehört, keine Papiere und keine
Rechte zu haben. Die aktuelle Kampagne der Vereinten Nationen möchte auf genau diese
Problematik aufmerksam machen, schließlich wird alle zehn Minuten ein neues Kind ohne
Staat geboren. Die Sprecherin des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Carlotta Sami,
erklärt Radio Vatikan, wie sich das anfühlt, staatenlos zu sein:
„Staatenlos
sein ist wie blind sein. Man geht aus der Haustür heraus und ist plötzlich blind:
Man hat auf nichts Zugriff. Keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, kein Zuhause,
keine Chance auf eine Schule, einen Job… Es ist wirklich ein Albtraum für Menschen,
staatenlos zu sein!“ Mindestens 10 Millionen Menschen sind nach Berechnungen
der Vereinten Nationen staatenlos – das sind mehr als alle Einwohner in New York,
und ungefähr dreimal so viele Menschen, wie in Berlin leben. Vor allem auf der Flucht
geborene Kindern sind betroffen von diesem fast lebenslangem Urteil „Staatenlosigkeit“.
Dagegen will die neue Kampagne des UNHCR Einspruch einlegen. Ihr Ziel heißt: In spätestens
zehn Jahren hat jeder Mensch - hoffentlich - mindestens eine Staatsangehörigkeit.
Staatenlose
leben in fast allen Regionen: von Osteuropa über Afrika und den Mittleren Osten bis
nach Südostasien. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. In vielen Fällen sind sie
Opfer ethnischer oder religiöser Diskriminierung, oder sie werden durch Kriege und
Konflikte wie in Syrien plötzlich staatenlos. Meistens aber sind Menschen staatenlos
aufgrund der Entscheidungen oder Handlungen anderer Menschen: „In Italien beispielsweise
gibt es viele staatenlose Menschen aus dem früheren Jugoslawien, oder aus asiatischen
Ländern. Menschen in der Dominikanischen Republik sind aufgrund einer Gesetzesänderung
plötzlich staatenlos, und Migranten aus Kuba bekommen selbst in ihrem Herkunftsland
keine Staatsbürgerschaft und auch nicht in ihrem Zielland: Sie sind also in einem
Schwebezustand.“ Die meisten staatenlosen Menschen leben in Myanmar: 800.000
Menschen muslimischen Glaubens, Angehörige der ethnischen Gruppe Rohingya. Ihnen wird
die Nationalität wegen eines Gesetzes aus dem Jahr 1982 verweigert. Eine andere große
Gruppe sind die Bihari in Bangladesch: 600.000 Ex-Sowjetbürger ohne Nationalität,
zwanzig Jahre nach dem Zerfall der UdSSR. Und natürlich die vielen Kinder syrischer
Frauen, die auf der Flucht das Licht der Welt erblicken und in den Nachbarländern
- Ägypten, Türkei, Libanon, Irak, Jordanien - keine Geburtsurkunde bekommen. UNHCR
hat einen Zehn-Punkte- Plan aufgestellt. Darin werden Länder aufgefordert, ihre Staatsbürgerschaftsgesetze
zu reformieren und Staatenlose einzubürgern. Der Plan enthält außerdem einen Hinweis
auf die beiden internationalen Konventionen über Staatenlose von 1954 und 1961, denen
weitere Staaten beitreten sollten. (rv 07.11.2014 no)