Kampf gegen Ebola in Westafrika auch „Vertrauenssache“
Kirche und Hilfsorganisationen
können die Ebola-Epidemie in Westafrika nur durch aktive Mithilfe der örtlichen Bevölkerung
wirksam bekämpfen. „Wir können die Epidemie nur kontrollieren, wenn wir die Mitarbeit
der Bevölkerung haben. Das heißt, wir müssen ihre Ängste, ihre Kultur, ihre Riten
ernst nehmen“, sagt Klemens Ochel vom Missionsärztlichen Institut Würzburg, das weltweit
Hilfsorganisationen bei ihrer Gesundheitsarbeit unterstützt.
Ochel nahm am
Dienstagnachmittag in Rom an einer internationalen Konferenz von Caritas Internationalis
zu Ebola teil. Im Auftrag von Misereor war er im Oktober in Liberia unterwegs. Die
Lage ähnele einer Kriegssituation: Das Virus habe nicht nur „katastrophale Auswirkungen“
auf das wirtschaftliche Leben, sondern hinterlasse auch tiefe Spuren im Sozialen,
so der Arzt im Interview mit Radio Vatikan.
„Die Angst vor Ansteckung führt
dazu, dass das soziale Leben nicht mehr normal funktioniert, man vermeidet Kontakt.
Normalerweise begrüßt man sich herzlich in Afrika, es gibt sogar besondere Riten des
Händeschüttelns und der Umarmung. Das ist alles weg: Es gilt ,no touch’, niemanden
mehr anfassen, niemanden mehr berühren. Und natürlich immer die Angst und Sorge: Ist
mein Gegenüber vielleicht eine Kontaktperson?“
Aufgrund von Ebola stehen
in Westafrika derzeit ganze Dörfer unter Quarantäne. In Liberias Hauptstadt Monrovia
seien viele Schulen, Betriebe und Krankenhäuser seit Wochen geschlossen, auf dem Land
lägen Feldarbeit und Handel so gut wie brach, berichtet Ochel. Viele Familien, die
sich bisher allein versorgten, seien jetzt auf fremde Hilfe gewiesen:
„Man
kann nicht mehr über die Dorf- oder Kreisgrenze hinweg seine Produkte vermarkten,
und das bringt die Wirtschaft fast zum Erliegen. Man kann also nur versuchen, in seinem
kleinen Garten das anzubauen, was man braucht. Die Lebensmittelversorgung ist dementsprechend
bedrohlich. Vor allem die Familien, die in ihrer Bewegung eingeschränkt und isoliert
sind, weil sie Kontakt (mit Infizierten, Anm. d. Red.) hatten, müssen von außen ernährt
werden, sonst geht es nicht.“
Die aktuelle Statistik führt insgesamt 14.500
Infizierte und Verdachtsfälle in der Region auf. In Liberia sei die Hälfte dieser
Fälle registriert worden, die andere Hälfte in Guinea und Sierra-Leone, berichtet
Ochel. Besonders Menschen im Gesundheitsdienst würden Opfer von Ansteckungen: Gut
sieben Prozent der insgesamt 7.000 Toten seien Ärzte und Krankenschwestern.
Kampf
gegen Ebola: Anpassung religiöser Riten Vor allem bei Todesfällen treffe
das Berührungsverbot die Menschen massiv, berichtet der Arzt weiter. Wie sollen sie
gebührend Abschied nehmen, wenn die verstorbenen Verwandten direkt abgeschirmt und
unter Plastikplanen begraben werden? Durch die Ebola-Epidemie würden bei vielen Liberianern
auch traumatische Erinnerungen aus dem Bürgerkrieg wieder wach, so Ochel. In dem gerade
einmal zehn Jahre zurückliegenden Konflikt kam es u.a. zu Leichenschändungen.
„Natürlich
möchte eine Familie wissen und sich versichern, dass jemand gestorben ist und nun
anständig beerdigt wird (...), dass eben auch keine ,Kräfte oder Mächte von außen’
kommen und Leichen schänden. Stellen Sie sich vor, Sie würden Menschen in voller Infektionsschutzkleidung
sehen, die einen lieben Angehörigen sozusagen aus dem Bett nehmen, in einen Sack packen
und in ein Erdloch tun. Das wäre auch für uns eine so traumatisierende Erfahrung,
mit der wir nur schwer umgehen könnten!“
Um auf diese Nöte der Menschen
zu reagieren, habe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Richtlinien für die Bestattung
der Ebola-Toten erlassen, nach denen die Betroffenen aktiv in die Bestattung ihrer
Angehörigen einzubeziehen seien, sagt Ochel:
„Man geht sogar so weit, ihnen
Infektionsschutzkleidung zu geben, damit sie zum Abschied – zumindest einer – den
Angehörigen noch berühren können.“
Eine andere Anpassung sei das Schaffen
von Besuchsbereichen „mit Sicherheitsdistanz“ in Ebola-Behandlungszentren, in denen
Familien infizierte Angehörige besuchen und „aus der Ferne“ unterstützen können, berichtet
der Arzt weiter.
Fortschritte in Liberia: Aktive Fallsuche betreibenIn
Liberia, wo die Epidemie am schlimmsten wütet, können inzwischen genügend Behandlungsplätze
angeboten werden, so Ochel. Dennoch träten immer noch neue Fälle auf, deshalb müssten
die Anstrengungen fortgeführt werden. „Ein nächster notwendiger Schritt ist,
dass aktive Fallsuche betrieben wird: Das heißt, für jeden Patienten, der in ein Untersuchungszentrum
kommt, muss eine Untersuchung stattfinden, um mögliche Kontakte nachzuzeichnen und
möglichst rasch neue Fälle zu identifizieren. Das ist bisher noch nicht gemacht worden.“
Doch
auch wenn die Epidemie eingedämmt sei, werde es noch viel zu tun geben, prophezeit
der Arzt. Es werde dann psychosoziale Betreuung brauchen, um die traumatischen Erfahrungen
der Menschen aufzufangen. Auch die Ebola-Waisen wieder in ein normales Umfeld zu integrieren,
werde wohl nicht leicht sein, fürchtet der Mediziner.
Caritas Internationalis:
Vielfache Maßnahmen notwendigUm Ebola effektiv zu bekämpfen, setzen kirchliche
Hilfsorganisationen neben medizinischer Versorgung und der Bereitstellung von Ressourcen
auf Präventionsarbeit und eine Mobilisierung der örtlichen Bevölkerung. Das hat der
Gesundheitsbeauftragte von Caritas Internationalis, Monsignor Robert Vitillo, am Dienstagnachmittag
auf einer internationalen Konferenz am Sitz der Dachorganisation in Rom verdeutlicht,
an der Gesundheitsexperten und – via Skype – Kirchen- und Caritasvertreter aus Sierra
Leone, Liberia und Guinea teilnahmen.
Mehrere Experten lobten bei der Konferenz
die aktive Mitarbeit der Bevölkerung im Kampf gegen das Virus. Ochel berichtete über
zwei Ärzte, die in Monrovia tatkräftig das katholische St. Joseph’s Hospital wiederaufbauen.
Die beiden Männer hätten das Virus selbst überlebt und widmeten sich nun dem Kampf
gegen die Epidemie, erläuterte der Arzt. Die Caritas führt in Westafrika Präventions-
und Aufklärungskampagnen durch und schult Menschen im Gesundheitsdienst im Umgang
mit dem Virus. Dabei werden im Kampf gegen Ebola Netzwerke und Strukturen genutzt,
die sich bereits im Kampf gegen AIDS in der Region bewährt haben.