Nach dem Sturz von Präsident Blaise Compaore bleibt die Machtsituation im Land unübersichtlich:
In der Nacht zum Samstag hat sich der Vizekommandant der Präsidentschaftswache zum
neuen Staatschef erklärt. Er wolle ab sofort den Übergang des Landes bis zu den Wahlen
begleiten, sagte Oberstleutnant Issaac Zida an diesem Samstag gegenüber dem nationalen
Fernsehen. Er rief die Afrikanische Union und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft
ECOWAS dazu auf, die Transition zu unterstützen. Am Freitag war noch Militärstabschef
Honore Traore, der dem gestürzten Präsidenten gegenüber als loyal gilt, zum Interimspräsidenten
des Landes erklärt worden. Dies war von Teilen des Militärs und den Demonstranten
mit Widerstand beantwortet worden. Es kam zu Schusswechseln mit Dutzenden Toten und
Verletzten.
Am Donnerstag hatten Tausende von Demonstranten das Parlament
in der Hauptstadt Ouagadougougestürmt, wo zu diesem Zeitpunkt die Abstimmung
über die geplante Verfassungsreform stattfand. Die Reform sollte dem amtierenden Präsidenten
den Weg für eine mögliche dritte Kandidatur bei den nächsten Präsidentschaftswahlen
ebnen, was Unmut unter Oppositionsvertretern und im Volk auslöste. Militärs hatten
das Parlament aufgelöst und die Bildung eines provisorischen Führungskomitees angekündigt,
das das Land bis zur nächsten Präsidentenwahl regieren solle. Der gestürzte Präsident
gab bekannt, er verzichte auf die Verfassungsänderung und sprach von „freien und transparenten
Wahlen“, die innerhalb der nächsten 90 Tage abgehalten werden könnten.
Die
politisch prekäre Lage habe zu Unruhen im ganzen Land geführt, berichtete der vatikanische
Fides-Dienst am Freitag unter Verweis auf Quellen der Ortskirche. Nicht nur in der
Hauptstadt Ouagadougou sei es zu Demonstrationen und Plünderungen gekommen, sondern
in allen größeren Städten des Landes: Bobo Dioulasso, Banfora, Ouahigouya, Koudougou.
Laut dem katholischen Hilfswerk Misereor könnte die Kirche in der aktuellen
Situation eine Mittlerrolle spielen. Die Bischöfe hätten immer wieder demokratische
Reformen angemahnt, zuletzt vor drei Jahren, erinnerte Misereor-Länderreferent Raoul
Bagopha im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur: „Die Menschen wissen
spätestens seit dem Hirtenbrief von 2011, auf welcher Seite die Bischöfe stehen.“
Laut Fides hatten sich die Bischöfe des Landes bereits vor vier Jahren ablehnend zu
einer geplanten Änderung des Artikels 37 der Verfassung geäußert: In einer am 20.
Februar 2010 veröffentlichten Verlautbarung fragten sie, ob eine Abschaffung der Beschränkung
auf zwei Mandate „den sozialen Frieden garantieren oder vielmehr neue Unruhen mit
sich bringen würde“.
Das westafrikanische Burkina Faso gehört zu den ärmsten
Ländern der Welt. Es galt zuletzt aber als vergleichsweise stabil. Allerdings war
es bereits in der Vergangenheit mehrfach zu Protesten gegen den seit 1987 amtierenden
Compaore gekommen. Die Hälfte der rund 17 Millionen Einwohner sind Muslime; 15 Prozent
sind Anhänger indigener Religionen, bis zu 19 Prozent gehören der katholischen Kirche
an.
Das Bild zeigt Demonstranten am Freitag in Ouagadougou, die
in Parlamentsnähe auf die Bekanntgabe eines Interim-Führers warten.