2014-10-26 09:10:54

Nach der Synode: „Angstfreiheit muss gewahrt bleiben“


RealAudioMP3 Vor einer Woche genau endete im Vatikan die Außerordentliche Versammlung der Bischofssynode – aber die Debatte zum Thema Ehe- und Familienseelsorge geht weiter, oft mit einiger Schärfe. Sie soll ja auch weitergehen, bis zu einer weiteren Synode im Herbst des nächsten Jahres. Aber könnte es sein, dass im Moment Gräben innerhalb der Kirche aufreißen? Wir sprachen mit unserem Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord, der die Beratungen der Synode hinter verschlossenen Türen mitanhören durfte.

Während der Synode hieß es immer, es werde da mit Freimut, aber vor allem großer Freundlichkeit geredet. In der Nach-Berichterstattung bekommt man aber den Eindruck von Spaltungen und Richtungskämpfen! Haben die Synodenväter, nach dem Streit um den Zwischenbericht von Kardinal Erdö, Angst vor der eigenen Courage bekommen und sind zurückgerudert?

„Das müsste man zunächst einmal die Synodenteilnehmer selber fragen, wie das ist mit ihrer Courage und ihrer Einstellung! Ich habe während der zwei Wochen sehr viel Freimut und Offenheit dort gesehen, aber keine Parteiungen - die werden meiner Meinung nach nachträglich dort hineininterpretiert. Es gibt sehr viele Meinungen, auch kontroverse und auch gegensätzliche Meinungen, die sich aber nicht in Parteien auflösen lassen, nach dem Motto ‚Wer ist hier gegen wen’. Also, ich habe Offenheit und Freimut erlebt, sie haben der Synode sehr, sehr gut getan. Es ist nur ein Schritt, der sehr gut abbildet, wie die Debatte gelaufen ist; von daher, würde ich sagen, wünschen wir uns noch mehr Freimut und Offenheit jetzt für das nächste Jahr!“

„Dinge zur Sprache bringen, ohne dass sie gleich zerfleddert werden“

Ist, im Rückblick gesehen, die Medien- und Veröffentlichungsstrategie der Synode aufgegangen?

„Ich denke schon... Die Synode war ja nicht für die Öffentlichkeit bestimmt in dem Sinne, dass es ein Medienereignis gewesen wäre, sondern es ging ja darum, im Raum offen zu debattieren - und ich glaube, da war es ganz gut, dass die Texte nicht komplett veröffentlicht wurden. Den Stellungnahmen konnte man auch anhören, dass sie nicht für die Mikrofone und Kameras gemacht waren, sondern nur für die Leute, die im Raum saßen. Und das muss auch mal sein dürfen! Ich bin ganz und gar für Veröffentlichung, für Transparenz usw., aber ein bisschen darf man auch mal hinter verschlossenen Türen machen, damit Dinge zur Sprache kommen können, ohne dass sie gleich zerfleddert werden! Ich glaube, in dem Sinne ist das aufgegangen.“

Einige Synodenväter, etwa Kardinal Burke und Erzbischof Gadecki, haben in Interviews ziemlich unverhüllt vor Änderungen bei der kirchlichen Sicht von Ehe und Familie gewarnt. Ist das noch der gewünschte Freimut, oder ist das etwas Ernsteres? Schließlich spricht ja auch Kardinal Schönborn von einer ‚Angriffswelle auf Papst Franziskus’...

„Wir müssen da vorsichtig sein, das Zitat von Kardinal Schönborn gleich mit Namen zu versehen. Das ist ja so ein bisschen die Versuchung auch der Medien gewesen: Wer gehört in welches Lager? Da gibt es eben die von Ihnen Angesprochenen, dann gibt es den Marx und den Kasper, den Erdö und Bischof Bruno Forte usw. - also, da werden prominente Namen genannt und dann geguckt, in welches Lager die gehören. Damit wird man der Synode aber nicht gerecht! Damit macht man das Thema auch kaputt. Ich weiß, es ist medial das Interessanteste: Kampf und Auseinandersetzung, wer wird gewinnen usw. Aber darum geht es hier weniger.

Ich glaube schon, dass das Thema Familie zu wichtig ist, als dass wir da jetzt sehen müssen, wer kämpft gegen wen. Die Kämpfe mag es geben - es hat ja auch Interviews in der Richtung gegeben -, aber bei der großen Mehrheit habe ich das nicht erlebt!

Man muss natürlich auch darauf schauen, dass der Freimut jetzt weitergegeben werden kann: Die Angstfreiheit muss gewahrt bleiben. Das darf nicht in eine Angriffswelle ‚einer gegen den anderen’ überschwappen. Und da hat der Papst, glaube ich, schon sehr deutlich gesagt, dass er ein Jahr lang eine Debatte will - und das ist jetzt sozusagen unsere Aufgabe.

Ich wäre auch vorsichtig damit, den Teufel an die Wand zu malen, also nach dem Motto ‚Da wird jetzt die Lehre der Kirche geändert.’ Das hört man ja nicht nur von einigen wenigen - sehr wenigen - Teilnehmern, sondern auch vor allem in den Blogs von Leuten, die nicht dabei waren. Da wird weiß Gott was herbeigeredet. Vorsicht, Vorsicht! Hier geht es nicht um die Änderung der Lehre. Wenn man den Text vorsichtig liest, und selbst wenn man den Zwischenbericht vorsichtig liest: Da wird nichts an Lehre geändert! Da muss man einfach mal genau hinsehen! Jetzt den Teufel an die Wand zu malen, das tut der Debatte, das tut auch der Offenheit der Debatte im kommenden Jahr überhaupt nicht gut.“

„Dass er das Kirchenrecht zitiert, ist etwas Neues“

Warum hat der Papst in seiner Schlussansprache erst sozusagen gegen rechts wie links ‚ausgeteilt’ und dann dermaßen seine Vollmacht und Autorität betont? So kennt man ihn gar nicht...

„Das Erste kennen wir doch sehr gut! Also, da würde ich widersprechen. Wenn man ‚Evangelii Gaudium’ sieht - das Schreiben des Papstes feiert ja bald sozusagen seinen ersten Geburtstag -, da beschreibt der Papst seitenweise diese fünf Plagen, diese fünf Versuchungen, und da wird sehr genau untersucht, in welche Fallen wir tappen können, wenn wir uns auf den Weg machen - was kann uns verführen, was sind die Schwächen, was sind auch die Versuchungen des Amtes usw.? Also, das kennen wir sehr gut, dass er hier noch mal klar und deutlich sagt: Hört mal, das ist hier ein geistlicher Prozess, da geht es nicht um das Abstecken von Positionen. Es ist auch kein akademischer Prozess hier, dass wir nachschlagen, was im Katechismus usw. steht. Sondern es ist ein geistlicher Prozess: Es geht um den Willen Gottes - das ist ja schließlich das Zentrum dessen, was Kirche ausmacht.

Also, das ist sicherlich etwas, was wir vom Papst kennen. Dass er das Kirchenrecht zitiert, und dann auch noch in Bezug auf sein Amt - das ist schon etwas Neues. Aber ich glaube, der Papst hat sehr genau gesehen, was seine Rolle bei dem Ganzen ist; nämlich nicht, inhaltlich Einfluss zu nehmen, sondern den Rahmen zu gewährleisten. Hier geht es eben darum, dass er will, dass offen debattiert wird, und er sagt: Ich gebe die Garantie, das Lehramt der Kirche gibt die Garantie, dass das nicht auseinanderfliegt. Dass wir offen reden können, ohne dass da gleich die Lehre verändert wird oder die Kirche auseinanderbricht. Also, sein Amt nimmt er sehr wohl ernst. Er sagt: Ich bin da, und deswegen können wir auch offen reden, weil mein Amt - nicht er als Person - sicherstellt, dass da nichts schiefgeht.

Das ist sehr, sehr wichtig, dass der Papst klarstellt, worin seine Rolle da besteht, um die Offenheit zu gewährleisten.“

„Wir wissen jetzt, wo die Stärken und Schwächen sind“

Wie ist es zu bewerten, dass heikle Punkte im Schlussdokument (homosexuelle Paare, wiederverheiratete Geschiedene) in der Synodenaula keine qualifizierte Mehrheit bekommen haben? Schwächt das jetzt den einjährigen Prozess des Nachdenkens bis zur nächsten Synode von Oktober 2015?

„Papst Franziskus hat sehr klar deutlichgemacht: Er will, dass die Themen weiter besprochen werden. Er hat auch den Prozess öffentlich gemacht, indem - wie üblich - der Zwischenbericht veröffentlicht wurde und indem der Schlussbericht sofort veröffentlicht wurde, mit diesen drei Abschnitten, die zwar eine absolute, aber keine qualifizierte Mehrheit bekommen haben. Warum das so ist, weiß ich nicht so genau; ich habe verschiedenste Begründungen von einzelnen Synodenteilnehmern gehört, weswegen sie Schwierigkeiten mit einzelnen Abschnitten hatten. Da jetzt etwas ,hineinzugeheimnissen‘ oder Vermutungen über die Motivationen anzustellen, finde ich sehr schwierig. Ich denke aber schon, dass der Prozess innerhalb der Synode jetzt nicht abgeschlossen ist, sondern dass die Debatten, die geführt wurden, und auch die Argumente, die ausgetauscht wurden, weitergeführt werden müssen. Deswegen hat der Papst entschieden, diese drei Abschnitte auch zu veröffentlichen. Das schwächt den Prozess nicht! Es macht nur klar und deutlich, wo wir stehen.

Ich habe direkt nach der Pressekonferenz vom Samstag mit einem Vertreter von ‚Wir sind Kirche’ gesprochen, und der sagte, dass er sehr zufrieden sei mit dem Dokument, weil es die Realität widerspiegle! Alles andere sei ja nicht wahr - d a s ist die Realität unserer Kirche, und es sei ein wunderbarer Ausgangspunkt, weil wir wissen, wo es herkommt, weil wir wissen, wo die großen Stärken sind (es sind ja einige Abschnitte fast komplett ohne Gegenstimme durchgewunken worden); es gibt aber auch Dinge, die Diskussionsbedarf haben, und die sind jetzt klar und deutlich angesagt. Deswegen, würde ich sagen, ist der Prozess überhaupt nicht geschwächt - ganz im Gegenteil, er ist gestärkt!“

(rv 24.10.2014 sk)









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