Der Präsident des
Päpstlichen Kulturrats, Kardinal Gianfranco Ravasi, lädt zu einer genauen Lektüre
des Schlussdokuments der Bischofssynode ein. Ravasi gehörte zum Redaktionsteam des
Textes über Ehe- und Familienpastoral, über den die Außerordentliche Vollversammlung
der Bischofssynode am letzten Samstag abstimmte und der die Debatte bis zur nächsten
Bischofssynode vom Oktober 2015 vorzeichnen soll. Die Botschaft betone, dass die Kirche
„ein Haus“ sei, „dessen Türen immer offenstehen für alle, ohne Ausnahme“. Das ist
nach Ravasis Eindruck „eine Art Grundachse der Synode“. Der Kardinal wörtlich: „Die
Kirche ist in erster Linie ein Haus; am Anfang waren ja auch die Familien der Ort,
an dem die Eucharistie gefeiert wurde.“
Der Satz der Synodenbotschaft, man
müsse „die positiven Elemente in Zivilehen und, trotz aller Unterschiede, bei den
ohne Trauschein Zusammenlebenden anerkennen“, sei von vielen als „Neuigkeit“ angesehen
worden. Das wundert Kardinal Ravasi: Für die kirchliche Tradition sei das alles andere
als neu. „Die mittelalterliche Theologie hat gelehrt, dass die Gnade nicht absieht
von der Natur“, so Ravasi. „Wenn also zwei Personen sich ernsthaft zusammentun, vor
allem durch eine offizielle Zivilehe, oder wenn sie wegen einer lange anhaltenden
persönlichen Verbundenheit, voller Zuneigung, Verständnis und Unterstützung, zusammen
sind, dann haben wir da einen natürlichen Wert, den man nicht ignorieren kann. Vielmehr
kann er als Basis dienen, um darauf die Schönheit, den Reichtum, die Übernatürlichkeit
der Gnade Christi aufzubauen“, sagte der Kardinal zu Radio Vatikan.
„Wahrheit
und Barmherzigkeit im Gleichgewicht“
Ravasi zeigt Verständnis dafür,
dass der Passus der Erklärung, der sich auf wiederverheiratete Geschiedene und ihre
mögliche Zulassung zur Kommunion betrifft, nicht die qualifizierte Mehrheit der Synodenväter
gefunden hat. Es gehe in diesem Bereich darum, Wahrheit und Barmherzigkeit miteinander
zu verbinden. Allerdings seien das „nicht zwei Komponenten auf verschiedenen Niveaus,
also Lehre und Seelsorge, sondern beides zwei Elemente der Lehre, die man in Gleichgewicht
zu halten versuchen sollte“. Daraus ergebe sich die Schwierigkeit, „und so rechtfertigt
sich auch die Vielfalt in den Urteilen“.
Kardinal Ravasi lobt die Medienberichterstattung
über die Synode: Was er gelesen habe, sei „alles in allem aufmerksam und ziemlich
richtig“ gewesen. Auch Nichtglaubende interessierten sich nach seinem Eindruck jetzt
mehr für Vorgänge im Vatikan, seit eine Synode nicht mehr „diese einstimmigen Ergebnisse
wie früher“, sondern „Lebhaftigkeit“ zeige.