2014-10-08 10:16:48

Vatikan und China: Positive Zeichen der „Zurückhaltung“?


RealAudioMP3 „Wir sind China nahe. Es ist ein großes Volk, das ich liebe.“ Das sagte der Papst im März 2014 in einem Interview. „Ich habe Präsident Xi Jinping einen Brief geschrieben, als er gewählt wurde, drei Tage nach mir, und er hat mir geantwortet“, so Franziskus im Gespräch mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della sera“. Es sollte nicht bei diesem einen Papstbrief an Peking bleiben: Zuletzt berichteten Medien in Argentinien und dann China, Franziskus habe Xi Jinping sogar in den Vatikan eingeladen. Die Katholiken im Reich der Mitte jubelten, der Vatikan bestätigte die Meldung nicht, dementierte sie aber auch nicht. Hat sich die Tür zwischen Heiligem Stuhl und China in den letzten Monaten wieder einen Spalt weit geöffnet? Dies fragte Radio Vatikan Katharina Wenzel-Teuber vom China-Zentrum Sankt-Augustin; sie ist Chefredakteurin der Zeitschrift „China heute“.

„Das ist schwer zu sagen. Zumindest ist Papst Franziskus deutlich darum bemüht, die Beziehung zu China zu entspannen. Und die Reaktion von chinesischen Seite ist bisher, würde ich sagen, verhalten, aber nicht negativ. Also es gab beispielsweise, seit die Regierung angetreten ist, zumindest auch keine erzwungenen, illegitimen Bischofsweihen… Zumindest sind von Seiten des Papstes deutliche Bemühungen da, das Verhältnis zu verbessern.“

Zu diesen Bemühungen ist auch die Einladung des Papstes an die Volksrepublik zu rechnen, doch diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl aufzunehmen. In Korea hatte sich Franziskus im August mit einer entsprechenden Bitte an die Länder Asiens ohne Botschafteraustausch mit dem Heiligen Stuhl gewandt. Bereits vor der Reise hatten Medien spekuliert, der Vatikan peile formelle Gespräche mit Peking an. Die Volksrepublik zählt immer noch zu den Staaten, zu denen der Vatikan bis heute keine offiziellen Verbindungen unterhält. Chinas Führung habe Franziskus‘ Gesten bisher mit „Zeichen der Zurückhaltung“ quittiert, so Teuber-Wenzel.

„Und was in offiziellen chinesischen Medien immer positiv hervorgehoben wurde: dass der neue Papst ein Jesuit ist. Jesuit - das ist in China weitgehend positiv besetzt, weil es ja die Jesuiten-Missionare im 17. und 16. Jahrhundert gab wie Matteo Ricci, die der chinesischen Kultur sehr viel Respekt entgegengebracht haben und die Begründer eines ost-westlichen Kulturaustausches waren.“

Deswegen habe ein Papst, der Jesuit sei, „vielleicht bessere Chancen, in einen Austausch mit der chinesischen Führung einzutreten“, vermutet die Beobachterin: „Aber man muss wirklich abwarten, wie sich’s entwickeln wird.“

Kirche in Hongkong: Aufruf zum friedlichen Widerstand

Vor allem die romtreue Seite von Chinas Kirche bemüht sich im eigenen Land derweil um Dialog und Vermittlung. So etwa bei den aktuellen Protesten der Demokratiebewegung in Hongkong. Direkt an den Demos teil nehmen der emeritierte Erzbischof von Hongkong, Kardinal Zen Ze-kun, und Vertreter der Kommission Justitia et Pax. Dazu Wenzel-Teuber:

„Im Grunde unterstützt die Diözese die Anliegen der Proteste. Und sie hat auch unter gewissen Umständen einen friedlichen zivilen Ungehorsam für richtig befunden.“

Und dabei selbst ziemliche Entschiedenheit an den Tag gelegt: „Wir rechneten eigentlich damit, verhaftet zu werden, und haben es uns fast gewünscht, denn das hätte die Menschen für unsere Sache hier und woanders in der Welt sensibilisiert“, sagte der 82-jährige Kardinal Zen, der inmitten der blockierten Zone des Stadtzentrums mit Demonstranten eine Messe feierte und die Protestler zu friedlichen Formen des Widerstandes ermunterte. Er kündigte an, weiter bei den verbleibenden Studenten zu bleiben und mit ihnen im Geschäftszentrum zu übernachten. Im Kontext der Proteste war es von Seiten der chinesischen Behörden teils zu gewaltsamen Übergriffen gekommen.

Ende vergangener Woche hatten die Studentenführer dann das Gesprächsangebot der Hongkonger Regierung angenommen. Der nun beginnende Dialog stehe allerdings eher auf wackligen Beinen, urteilt Katharina Wenzel-Teuber:

„Natürlich muss man sehen, was dabei überhaupt erreicht werden kann, denn die Hongkonger Regierung ist ja auch nicht wirklich frei, Zugeständnisse zu machen, weil ja Peking das letzte Wort hat...“
Ob es zu einer Einigung kommen kann, bleibt damit also zunächst offen. Kardinal Zen bewertete die Gesprächsangebote der politischen Führung als Trick, um auf Zeit zu pokern und die Protestbewegung zu spalten: „Ich glaube kein bisschen daran. Die Regierung spielt - einerseits sagt sie Ja zum Dialog, auf der anderen Seite sagt sie, sie könne die Entscheidung aus Peking nicht umstürzen. Das ist also schon das Fazit des Dialogs“, so Zen gegenüber dem Pressedienst Asianews. Zugleich warnte der frühere Bischof von Hongkong die Studenten, sich als „Herren“ zu gebärden und die Führerschaft an sich nehmen zu wollen. Die Demonstrationen seien „ein Erfolg des ganzen Volkes, nicht nur der Studierenden“.

Hintergrund der Proteste sind Forderungen nach mehr Demokratie: Die Wähler der ehemaligen britischen Kronkolonie wollen die Kandidaten der ersten direkten Wahlen in Hongkong, die 2017 durchgeführt werden, selbst bestimmen. Laut Chinas Führung sollen die Hongkonger Bürger bei der Abstimmung dagegen zum großen Teil zwischen Kandidaten auswählen, die Peking dem Volk vorsetzen will. Das hatte für großen Unmut gesorgt:

„Natürlich fühlt sich die Bevölkerung da betrogen, das ist ja keine wirklich demokratische Wahl unter diesen Umständen. Und Peking hat auch gesagt, nur solche Kandidaten sind akzeptabel, die das Land lieben, das heißt eben auch: die sich politisch nicht gegen die Zentralregierung stellen.“


Proteste in dieser Form neu

Medien sprechen mit Blick auf die Proteste von der größten politischen Krise in Hongkong seit 1997, als die ehemals britische Kronkolonie an China zurückgegeben wurde. Ein „deutlicher Teil der Hongkonger Bevölkerung“ hat sich laut Wenzel-Teuber an den Demos beteiligt. Und wenn auch nicht alle Städter aktiv hinter den Protesten stünden, sei „vielen Hongkongern mehr Demokratie doch sehr wichtig“. Immerhin 800.000 Bürger hätten sich bereits beim Referendum vom Juni zur Frage gemeldet, wie eine Nominierung für den Regierungschef ablaufen sollte. Die Hongkonger Proteste seien – innerhalb der Bewegungen für mehr Demokratie in der Volksrepublik – „in dieser Form etwas Neues“, resümiert die Beobachterin. In Pekings Augen freilich seien sie „illegal“:

„Da gab es schon in verschiedenen Pressemeldungen der amtlichen Medien in China Aussagen wie: ,Das ist Widerstand gegen das höchste Staatsorgan, gegen den Nationalen Volkskongress‘, der ja eben schon eine Entscheidung getroffen hat, was die Nominierung des Kandidaten betrifft. Diese Medien warnen auch, dass damit eine Linie überschritten werde. Das heißt, es ist in der Tat schon auch eine kritische Situation im Moment, und deshalb muss man wirklich hoffen, dass der Dialog da auch wirklich zu einer Lösung beitragen kann.“

(rv/asianews 07.10.2014 pr)








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