Vatikan und China: Positive Zeichen der „Zurückhaltung“?
„Wir sind China nahe.
Es ist ein großes Volk, das ich liebe.“ Das sagte der Papst im März 2014 in einem
Interview. „Ich habe Präsident Xi Jinping einen Brief geschrieben, als er gewählt
wurde, drei Tage nach mir, und er hat mir geantwortet“, so Franziskus im Gespräch
mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della sera“. Es sollte nicht bei diesem
einen Papstbrief an Peking bleiben: Zuletzt berichteten Medien in Argentinien und
dann China, Franziskus habe Xi Jinping sogar in den Vatikan eingeladen. Die Katholiken
im Reich der Mitte jubelten, der Vatikan bestätigte die Meldung nicht, dementierte
sie aber auch nicht. Hat sich die Tür zwischen Heiligem Stuhl und China in den letzten
Monaten wieder einen Spalt weit geöffnet? Dies fragte Radio Vatikan Katharina Wenzel-Teuber
vom China-Zentrum Sankt-Augustin; sie ist Chefredakteurin der Zeitschrift „China heute“.
„Das
ist schwer zu sagen. Zumindest ist Papst Franziskus deutlich darum bemüht, die Beziehung
zu China zu entspannen. Und die Reaktion von chinesischen Seite ist bisher, würde
ich sagen, verhalten, aber nicht negativ. Also es gab beispielsweise, seit die Regierung
angetreten ist, zumindest auch keine erzwungenen, illegitimen Bischofsweihen… Zumindest
sind von Seiten des Papstes deutliche Bemühungen da, das Verhältnis zu verbessern.“
Zu
diesen Bemühungen ist auch die Einladung des Papstes an die Volksrepublik zu rechnen,
doch diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl aufzunehmen. In Korea hatte
sich Franziskus im August mit einer entsprechenden Bitte an die Länder Asiens ohne
Botschafteraustausch mit dem Heiligen Stuhl gewandt. Bereits vor der Reise hatten
Medien spekuliert, der Vatikan peile formelle Gespräche mit Peking an. Die Volksrepublik
zählt immer noch zu den Staaten, zu denen der Vatikan bis heute keine offiziellen
Verbindungen unterhält. Chinas Führung habe Franziskus‘ Gesten bisher mit „Zeichen
der Zurückhaltung“ quittiert, so Teuber-Wenzel.
„Und was in offiziellen
chinesischen Medien immer positiv hervorgehoben wurde: dass der neue Papst ein Jesuit
ist. Jesuit - das ist in China weitgehend positiv besetzt, weil es ja die Jesuiten-Missionare
im 17. und 16. Jahrhundert gab wie Matteo Ricci, die der chinesischen Kultur sehr
viel Respekt entgegengebracht haben und die Begründer eines ost-westlichen Kulturaustausches
waren.“
Deswegen habe ein Papst, der Jesuit sei, „vielleicht bessere Chancen,
in einen Austausch mit der chinesischen Führung einzutreten“, vermutet die Beobachterin:
„Aber man muss wirklich abwarten, wie sich’s entwickeln wird.“
Kirche
in Hongkong: Aufruf zum friedlichen Widerstand
Vor allem die romtreue
Seite von Chinas Kirche bemüht sich im eigenen Land derweil um Dialog und Vermittlung.
So etwa bei den aktuellen Protesten der Demokratiebewegung in Hongkong. Direkt an
den Demos teil nehmen der emeritierte Erzbischof von Hongkong, Kardinal Zen Ze-kun,
und Vertreter der Kommission Justitia et Pax. Dazu Wenzel-Teuber:
„Im Grunde
unterstützt die Diözese die Anliegen der Proteste. Und sie hat auch unter gewissen
Umständen einen friedlichen zivilen Ungehorsam für richtig befunden.“
Und
dabei selbst ziemliche Entschiedenheit an den Tag gelegt: „Wir rechneten eigentlich
damit, verhaftet zu werden, und haben es uns fast gewünscht, denn das hätte die Menschen
für unsere Sache hier und woanders in der Welt sensibilisiert“, sagte der 82-jährige
Kardinal Zen, der inmitten der blockierten Zone des Stadtzentrums mit Demonstranten
eine Messe feierte und die Protestler zu friedlichen Formen des Widerstandes ermunterte.
Er kündigte an, weiter bei den verbleibenden Studenten zu bleiben und mit ihnen im
Geschäftszentrum zu übernachten. Im Kontext der Proteste war es von Seiten der chinesischen
Behörden teils zu gewaltsamen Übergriffen gekommen.
Ende vergangener Woche
hatten die Studentenführer dann das Gesprächsangebot der Hongkonger Regierung angenommen.
Der nun beginnende Dialog stehe allerdings eher auf wackligen Beinen, urteilt Katharina
Wenzel-Teuber:
„Natürlich muss man sehen, was dabei überhaupt erreicht
werden kann, denn die Hongkonger Regierung ist ja auch nicht wirklich frei, Zugeständnisse
zu machen, weil ja Peking das letzte Wort hat...“ Ob es zu einer Einigung kommen
kann, bleibt damit also zunächst offen. Kardinal Zen bewertete die Gesprächsangebote
der politischen Führung als Trick, um auf Zeit zu pokern und die Protestbewegung zu
spalten: „Ich glaube kein bisschen daran. Die Regierung spielt - einerseits sagt sie
Ja zum Dialog, auf der anderen Seite sagt sie, sie könne die Entscheidung aus Peking
nicht umstürzen. Das ist also schon das Fazit des Dialogs“, so Zen gegenüber dem Pressedienst
Asianews. Zugleich warnte der frühere Bischof von Hongkong die Studenten, sich als
„Herren“ zu gebärden und die Führerschaft an sich nehmen zu wollen. Die Demonstrationen
seien „ein Erfolg des ganzen Volkes, nicht nur der Studierenden“.
Hintergrund
der Proteste sind Forderungen nach mehr Demokratie: Die Wähler der ehemaligen britischen
Kronkolonie wollen die Kandidaten der ersten direkten Wahlen in Hongkong, die 2017
durchgeführt werden, selbst bestimmen. Laut Chinas Führung sollen die Hongkonger Bürger
bei der Abstimmung dagegen zum großen Teil zwischen Kandidaten auswählen, die Peking
dem Volk vorsetzen will. Das hatte für großen Unmut gesorgt:
„Natürlich
fühlt sich die Bevölkerung da betrogen, das ist ja keine wirklich demokratische Wahl
unter diesen Umständen. Und Peking hat auch gesagt, nur solche Kandidaten sind akzeptabel,
die das Land lieben, das heißt eben auch: die sich politisch nicht gegen die Zentralregierung
stellen.“
Proteste in dieser Form neu
Medien
sprechen mit Blick auf die Proteste von der größten politischen Krise in Hongkong
seit 1997, als die ehemals britische Kronkolonie an China zurückgegeben wurde. Ein
„deutlicher Teil der Hongkonger Bevölkerung“ hat sich laut Wenzel-Teuber an den Demos
beteiligt. Und wenn auch nicht alle Städter aktiv hinter den Protesten stünden, sei
„vielen Hongkongern mehr Demokratie doch sehr wichtig“. Immerhin 800.000 Bürger hätten
sich bereits beim Referendum vom Juni zur Frage gemeldet, wie eine Nominierung für
den Regierungschef ablaufen sollte. Die Hongkonger Proteste seien – innerhalb der
Bewegungen für mehr Demokratie in der Volksrepublik – „in dieser Form etwas Neues“,
resümiert die Beobachterin. In Pekings Augen freilich seien sie „illegal“:
„Da
gab es schon in verschiedenen Pressemeldungen der amtlichen Medien in China Aussagen
wie: ,Das ist Widerstand gegen das höchste Staatsorgan, gegen den Nationalen Volkskongress‘,
der ja eben schon eine Entscheidung getroffen hat, was die Nominierung des Kandidaten
betrifft. Diese Medien warnen auch, dass damit eine Linie überschritten werde. Das
heißt, es ist in der Tat schon auch eine kritische Situation im Moment, und deshalb
muss man wirklich hoffen, dass der Dialog da auch wirklich zu einer Lösung beitragen
kann.“