„Die katholische Kirche
unternimmt schon einiges“: Das sagt Hildegard Hagemann von Justitia et Pax über den
Einsatz der Kirche für menschenwürdige Arbeit. Als Referentin für Entwicklungspolitik
ist ihr der „Welttag für menschenwürdige Arbeit“ ein persönliches Anliegen. Der Tag
wird jährlich am 7. Oktober begangen. Gewerkschaften treten weltweit für die Schaffung
menschwürdiger Arbeitsbedingungen ein, insbesondere für das Verbot von Kinderarbeit,
die Gleichstellung von Frauen, den Arbeitsschutz von Beschäftigten und eine angemessene
soziale Sicherung. Hagemann sieht im Interview mit Radio Vatikan in diesem Tag eine
große Chance, um ein größeres Bewusstsein für faire Arbeitsbedingungen zu schaffen:
„Ich
wünsche mir, dass regelmäßig zu diesem Tag auch mehr Organisationen, mehr zivilgesellschaftliche
Einrichtunge,n sich der Frage öffnen: Was bedeutet für uns menschenwürdige Arbeit,
was bedeutet das für uns in unserem Wirtschafts und Sozialleben? Ich sehe auch tatsächlich
eine positive Entwicklung, dass Aufmerksamkeit gesellschaftlich auf die Arbeitsverhältnisse,
auf die Umstände, in denen Menschen arbeiten müssen, gelenkt wird – und nicht nur
darauf, wie man schnell Profite und Wachstum generiert.“
Seit hundert Jahren
gibt es in der katholischen Kirche Bewegungen, die für den Schutz der Arbeitenden
eintreten. Dazu gehören unter anderem die katholische Arbeitnehmerbewegung, Kolping,
die Frauengemeinschaft und die katholische Jugendbewegung. Auf internationaler Ebene
hat ein Zusammenschluss dieser Verbände einen beratenden Status bei den Vereinten
Nationen. Aktuell unterstützen sie die Internationale Arbeitsorganisation ILO bei
der Erarbeitung von neuen Nachhaltigkeits- und Entwicklungszielen, mit dem Ziel, dass
menschenwürdige Arbeit in der Agenda einen hohen Stellenwert erfährt.
„Hier
sieht man, dass sich die Bewegungen und die Verbände in der katholischen Kirche weltweit
auf die christliche Soziallehre beziehen, auf die katholische Soziallehre, wo die
menschliche Arbeit einen großen Stellenwert einnimmt und entsprechend auch der Schutz
dermenschlichen Arbeit, die Würde der menschlichen Arbeit in den Vordergrund
gestellt wird. Ganz praktisch tut die Kirche sehr viel in Zusammenarbeit auf lokaler
Ebene, regionaler Ebene, mit Gewerkschaften, um Anlaufpunkte für Wanderarbeiter zu
schaffen, um faire Arbeitsbedingungen einzufordern, um vor allem Arbeiter wie Hausangestellte
oder wie Baustellenarbeiter, wie Arbeiter in der Fleischverarbeitung zu schützen und
deren Forderungen in die Politik und in die Gesellschaft zu tragen.“
Die
Rolle der Kirche versteht Hagemann in der Aufklärungsarbeit, damit das Konzept und
die Idee menschenwürdiger Arbeit bewusster wird. Damit meint sie nicht nur die Arbeit
in der Politik, sondern vor allem die pastorale Arbeit direkt in den Gemeinden.
„Hier
ist es an der Kirche, Anlaufpunkte zu schaffen, aber auch eine Bewusstseinsbildung
zu machen für die einheimischen Gemeindemitglieder, was es zum Beispiel bedeutet,
Migranten in ihren Haushalten einzustellen, was es bedeutet, ein bewusster und ethisch
orientierter Arbeitgeber zu sein. Hier sind noch Aufgaben in der pastoralen Arbeit,
da könnten wir noch mehr tun!“
Im Bereich Arbeit gibt es eine Vielzahl
von Herausforderungen: Probleme wie Arbeitslosigkeit in Europa, die Problematik der
Jugendbeschäftigung und Kinderarbeit in südlichen Ländern. Für die Arbeitssituation
in Deutschland sei es eine große Herausforderung, dass viele Menschen in sogenannten
informellen Verhältnissen arbeiten – unregistriert, ungeschützt und ohne soziale Sicherung.
„Dort haben wir auch eine große Herausforderung, nämlich die Anerkennung
informeller Arbeitender als Arbeitende, und ihnenZugang zu verschaffen zu
Arbeitsrechten und sozialer Sicherung. In diesem Zusammenhang gibt es eine ganz prekäre
Gruppe, nämlich die Wanderarbeiter. Dies ist auch in Europa zu sehen, weil Migration
als Versuch angesehen wird, aus Armut und Perspektivlosigkeit zu entkommen. Das betrifft
die Situation innerhalb der Europäischen Gemeinschaft genauso wie die internationale
Gemeinschaft, wo Migration und Wanderarbeit eben auch zunehmen.“