2014-10-04 11:04:03

Unser Buchtipp


RealAudioMP3 Und noch ein Buch über Papst Franziskus: Unser Kollege Stefan v. Kempis, Redakteur bei Radio Vatikan, hat es geschrieben. Der „Grundkurs Franziskus“ soll auf knapp 160 Seiten Einblicke ins Denken von Papst Bergoglio geben. Wir fragten den Autor, worum genau es ihm in seinem Buch geht.

„Es stimmt schon: Bücher über Papst Franziskus gibt es mittlerweile viele, und auch sehr interessante Ausgaben seiner Schriften und Predigten aus der Zeit, als er noch Erzbischof von Buenos Aires war. Aber auch wenn der Papst eine beim ersten Hinhören ganz einfache Sprache führt, mit vielen Anekdoten angereichert, hin und wieder auch witzig – so einfach ist es gar nicht, ihn zu verstehen. Und darum geht es mir: Wie denkt denn dieser neue Papst, und was genau denkt er? Ich sehe bei seinen Zuhörern und Bewunderern die große Gefahr, dass sie beim Anekdotischen stehenbleiben und nicht mitkriegen, was dahintersteckt. Dass Papst Franziskus sehr plastisch erzählen kann, dass er uns mit Leichtigkeit Bilder vor Augen stellt, heißt ja nicht, dass dahinter dann nichts mehr wäre! Franziskus ist ein gebildeter, erfahrener Jesuit, von dem sich vieles lernen lässt über Gott, die Welt, das Leben. Dass er verständlich redet, hat nicht mit Beschränktheit zu tun oder einer, wie einige herablassend sagen, „Copacabana-Theologie“, sondern es ist – das ist wenigstens mein Eindruck – eine bewusste Strategie, für die er sich entschieden hat.“

Haben Sie dafür ein Beispiel?

„Also, der Papst hat mal, spontan wie er ist, Priestern gegenüber eine Anekdote erzählt, wie er am Leichnam eines verstorbenen Beichtvaters in Buenos Aires gebetet hat. Da erzählt er also, wie er aus der Krypta der Kirche, wo der Verstorbene aufgebahrt war, nochmal hochging auf die Straße, um ein paar Blumen zu kaufen; die hat er dann in die Krypta gebracht, und dann hat er, weil gerade keiner zusah, vom Rosenkranz in der Hand des Verstorbenen mit einem Ruck das Kreuz abgerissen und in die Tasche gesteckt, und da habe er es heute noch. Eine ganz nette Anekdote: Ein künftiger Papst klaut ein Kreuz...“

Und was kann man aus so einer Geschichte lernen über die Art und Weise, wie der Papst denkt und redet?

„Also, zunächst ist diese kleine Geschichte direkt verständlich und durch ihre Bildhaftigkeit (große Kirche, Treppe runter zur Krypta, Blumenläden an den Straßenecken) sehr einprägsam. Der Papst hätte ja auch sagen können: ‚Ärgert euch nicht über andere, denkt nicht schlecht von anderen‘, und die Aussage wäre dieselbe gewesen – aber sie wäre ohne die Kraft dieser Bilder wohl nicht hängengeblieben! Sehr tiefgehend ist die Aussage nicht, eher appellativ; die Geschichte erklärt auch nicht, was Barmherzigkeit in ihrem Wesen ist, oder warum die Beichte solchen Wert hat. Sie illustriert, statt zu definieren, sie spricht zur Vorstellungskraft und nicht zum Verstand. Da haben wir die Methode dieses Papstes: Er tippt an, impliziert, evoziert, statt breit auszuführen.“

Es ist ja auch eine sehr dynamische Sprechweise...

„Ja, genau. Auch in unserem Beispiel geht es ja Treppen rauf und runter, das ist nicht statisch. Und es ist bewusst positiv: Der Papst erzählt augenzwinkernd von einer Art Diebstahl, aber niemand wird deswegen auf die Idee kommen, dass er Diebstähle an sich gutheißt. Franziskus gibt sich keine Mühe, schnell auf den Punkt zu kommen, auf seine wesentliche Aussage; der Weg dahin ist genauso wichtig wie die Pointe. Auch um Vollständigkeit geht es dem Papst beim Reden nicht, das Teil steht für das Ganze; vor Wiederholungen schreckt er nicht zurück, im Gegenteil, immer wieder tauchen dieselben Schlüsselbegriffe (‚Herausgehen‘ zum Beispiel) bei ihm auf, werden in immer neue Zusammenhänge gestellt, Zusammenhänge, die sich gegenseitig interpretieren. Man merkt an dieser Geschichte und überhaupt, wenn man ihm gut zuhört, dass der Papst mit einem gewissen wellenförmigen Rhythmus spricht; was er sagt, ist sehr situationsbezogen und dialoghaft, darum muss man nicht nur auf den Inhalt achten, sondern auf die Dynamik. Wie da eine Beziehung zu den Hörern hergestellt wird.“

Was bedeutet das denn nun für die, die wissen wollen, wie und was genau dieser Papst denkt?

„Es bedeutet, dass wir ihm nur mit seinen eigenen Mitteln nahekommen. Wir müssen uns auf seine Art und Weise, zu denken und zu sprechen, einlassen, müssen seine Schlüsselworte identifizieren, die entsprechenden Zitate nebeneinanderhalten und zueinander in Beziehung setzen, müssen ihren jeweiligen Zusammenhang zu uns sprechen lassen und mit der Hand den unsichtbaren Fäden, die zwischen ihnen hin- und herlaufen, folgen. Ein Letztes wird sich immer entziehen, wird unausgesprochen bleiben, einfach weil das nicht der Papst des Expliziten ist; doch näher kommen wir nicht an ihn heran. Das versuche ich mit meinem Buch. Franziskus spricht weniger dogmatisch, mehr pastoral; nicht präskriptiv, sondern deskriptiv-werbend; sein Element ist die Predigt, nicht – wie im Fall seines Vorgängers Benedikt – die Vorlesung. Wie denkt der Papst genau über Frauen, über Abtreibung, über Liturgie? Wir werden es so direkt kaum von ihm erfahren: Er wird uns eine Geschichte erzählen oder einen Witz, vielleicht auch eine sprechende Geste tun. Vor allem wird er keine Definition liefern, sondern eine Richtung zeigen, einen Raum öffnen. Man kann ihn nicht festnageln mit seinen Worten; es sind Worte in Bewegung, Worte die in Bewegung setzen. Das will ich in meinem Buch an ausgewählten Stichworten zeigen, von A wie Anbetung bis Z wie Zärtlichkeit.“

Stefan v. Kempis, Grundkurs Franziskus. Benno Verlag, Taschenbuch, ca. 7 Euro.

(rv 04.10.2014)








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