2014-09-17 10:22:07

Bischof von Aleppo: „Wir leben noch“


Jeder einzelne Syrer ist von dem Krieg im Land auf irgendeine Weise betroffen. Das hat der Bischof von Aleppo, Antoine Audo, jetzt in einem Interview mit Radio Vatikan betont. Nicht nur die täglichen Gefechte in mehreren Landesteilen und die hohe Zahl von vier Millionen Flüchtlingen sei für Syrien eine enorme Belastung, sondern auch der Zusammenbruch der nahezu gesamten Infrastruktur und die hohe Zahl der Arbeitslosen. Bischof Audo nimmt in diesen Tagen als Präsident von Caritas Syrien an der Koordinationssitzung von Caritas Internationalis in Rom teil. Er verweist auf eine Verarmung des gesamten Landes:
„Jeder in Syrien ist zu einem armen Menschen geworden, auch die, die ihr Zuhause nicht verlassen mussten. Wir haben mit zwei großen Problemen zu kämpfen. Das eine ist die extrem unsichere Lage im Land: Viele Menschen mussten fliehen. Hinzu kommt die hohe Arbeitslosigkeit. In großen, entwickelten Städten wie Aleppo sind 80 Prozent der Menschen ohne Arbeit. Reiche und gut ausgebildete Bürger nützen ihre Möglichkeiten, um ins Ausland zu gehen. Zurückgeblieben ist der Mittelstand, der jedoch zunehmend verarmt. Die Lage der jetzt schon armen Bevölkerung ist nur noch miserabel, es ist auf allen Ebenen schrecklich. Jeder ist von der Krise in irgendeiner Form betroffen. Und dennoch – die Menschen haben eine positive Einstellung, und irgendwie geht das Leben weiter, das ist schon ein Wunder. Es ist nicht einfach, aber wir leben noch.“
Zunächst friedliche Proteste gegen Machthaber Baschar al-Assad wurden im Frühjar 2011 zu einem Bürgerkrieg. Seit diesem Ausbruch sind in Syrien mehr als 191.000 Menschen getötet worden; mehr als die Hälfte der Syrer sind heute auf der Flucht. In dem Land kämpfen staatliche Truppen gegen Rebellen wie die „Freie Syrische Armee“, aber auch die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ ist in Syrien aktiv. Um die Souveränität Syriens nicht zu riskieren, lehnte Audo in der Vergangenheit jedoch Luftschläge der USA und ihrer Verbündeten ohne Autorisierung durch Präsident Baschar al-Assad ab. Der nahende Winter, fehlende Grundnahrungsmittel und der Mangel an medizinischer Versorgung verschlechtern die Situation der Menschen vor Ort noch mehr. Die Caritas unterstützt daher fünf große Programme, um ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen. Bischof Audo erklärt:

„Ein Programm versorgt Menschen mit Lebensmitteln. Viele Menschen sind sehr arm. Sogar Ärzte und Ingenieure kommen zu mir und bitten um Hilfe. Ein weiteres Programm kümmert sich um die medizinische Versorgung, denn viele Krankenhäuser sind zerstört, und zahlreiche Ärzte haben das Land verlassen. Außerdem gibt es ein Programm, das Menschen unterstützt, die fliehen mussten oder deren Zuhause zerstört wurde. Damit sie ein Dach über dem Kopf haben, hilft ihnen die Caritas ein Jahr lang, die Miete zu zahlen.“

Mit Lebensmitteln, Medikamenten, ärztlicher Versorgung und Wohnraum ist es aber noch nicht getan. Um die Zukunft des Landes zu sichern, müsse man sich insbesondere der Kinder, Jugendlichen und älteren Menschen annehmen.
„Ein Programm ist besonders wichtig – ein Bildungsprogramm. In Aleppo können wir insgesamt 5.000 Kindern und Studenten Stipendien anbieten, damit sie ihre Ausbildung fortsetzen können. Wenn man Schülern hilft, hilft man auch den Familien, weil man sie auf die Zukunft vorbereitet. Das erzeugt auch psychologische Stabilität. Das vierte Programm sieht die Versorgung der älteren Bevölkerung vor. Ich besuche zum Beispiel ältere Menschen, die alleine leben, weil jüngere Familienmitglieder längst geflohen sind. In Aleppo kümmern wir uns um 500 ältere Menschen.“

All diese Programme sind langwierige Prozesse und benötigen eine Anlaufzeit von Monaten. Dabei geht wichtige Zeit verloren. Deshalb engagiert sich Caritas Syrien im besonderen Maße für Soforthilfe und bei der Betreuung von freiwilligen Helfern.
„Manche Situationen benötigen unverzügliche Hilfsmaßnahmen, wenn zum Beispiel eine Schule bombardiert oder ein christliches Dorf von bewaffneten Kämpfern überfallen wurde. Deshalb haben wir einen Fond eingerichtet, mit dem wir Soforthilfe leisten können. Außerdem kümmern wir uns um unsere jungen, freiwilligen Helfer. Humanitäre Hilfe ist eine schwere Aufgabe. Deshalb versuchen wir sie darauf vorzubereiten, wie man mit der Gewalt, der Angst, der Gefahr umgehen kann und wie sie erkennen können, wo Hilfe am nötigsten ist. Das ganze Jahr über machen wir Veranstaltungen, um junge Menschen auszubilden und sie zu stärken.“

(rv 17.09.2014 wb)










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